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Militäruhren:
Eine persönliche Uhren-Geschichte
von Konrad Knirim, veröffentlicht in 'Klassik Uhren', Dez. 1996

Ein Los Fliegeruhren
Nachdem ich wegen ständiger Erkältungen meine mit Liebe restaurierten Motorräder verkauft hatte, war ich offen für ein anderes Interessengebiet, welches mit Technik, Mechanik und auch Handarbeit zu tun hat. Denn neben dem Büro- und Autofahrer-Job brauche ich als gelernter Ingenieur die Beschäftigung mit Mechanik. Durch einen Nachbarn aufmerksam gemacht, wurde mir bewußt, daß mit der Masseneinführung der Quarzuhren, die schon in Billigversionen genauer sind als Marine-Chronometer, die ca. drei Jahrhunderte immer weiter verfeinerte Technik der mechanischen Zeitmessung zu Ende war. Alles andere ist Nostalgie und Luxus. Folgerichtig haben genau zu der Zeit insbesondere die britischen Streitkräfte die mechanischen Uhren ausgemustert, während die Bundesluftwaffe weiterhin mechanische Taucheruhren und Chronographen einsetzt. Ein solches Los von Fliegeruhren habe ich dann als Einstand bei einer Auktion von Dr. Crott in Aachen ersteigert. Damit war die Sammlung begonnen, denn ich habe mich zwar zunächst auf einfache Armbanduhren beschränkt, aber sukzessive ging ich auf Chronographen und Taucheruhren über. Es war die Zeit, wo es die IWC Mark 11 zwar nicht mehr für 50 DM gab, aber mehr als 200 bis 400 DM habe ich nicht ausgegeben und dieser Preis hat sich heute verzehnfacht. Andere Fliegeruhren gab es für einen Hunderter. Britische Chronographen habe ich anfangs noch für 70 £ bekommen.

Gerade bevor das Buch von Norbert Eder über Beobachtungsuhren herauskam, dachte ich, muß ich mich noch preiswert mit Deckwatches und anderen B-Uhren eindecken. Es ist tatsächlich so, daß nach Erscheinen eines schönen Buches die gezeigten Exem, are teurer, weil bekannter werden. So wurden auch durch das Erscheinen des Büchleins von K. Imai immer mehr Sammler auf dieses Gebiet aufmerksam. Zugleich gingen die Preise begehrter Stücke, wie die der Nobelmarken IWC, Rolex, Jaeger Le Coultre, Longines, Blancpain, Vacheron & Constantin kräftig in die Höhe; ganz zu schweigen von einer großen Patek Fliegeruhr. Es kamen aber auch immer mehr Exemplare insbesondere aus England und USA auf den Markt. Die Schwärme der Wochenendhändler nach Sussex und Orlando haben den Markt mit den Stücken, von denen nun mal viele hergestellt wurden, wie z. B. die Timor Fliegeruhr oder die Hamilton GCT Deckwatch überschwemmt. Trotzdem saugt der Sammlermarkt alles auf. Die vielen russischen Militär-Armbanduhren, die derzeit für Spottpreise die Trödelmärkte überschwemmen, sind längst keine Uhren für das Militär mehr, sondern für den Westmarkt. Nur die frühen Exemplare sind tatsächlich für die Sowjetarmee hergestellt.

Des Sammlers Raffgier
Das Problem eines Sammlers, dessen Raffgier ich psychologisch durchaus bedenklich sehe (nicht: 'Cogito ergo sum', sondern: 'Haben, Haben, Haben'), ist es immer wieder, sein Gebiet eingegrenzt zu halten. Die Grenze 'Militäruhren' war für mich klar bis auf ein paar schöne zivile Exemplare, die ich im Geschäft oder zum Angeben trage. Aber soll ich mich auf Armbanduhren beschränken, oder nur Zenith oder Longines sammeln? Jede Beschränkung kann immer noch den Finanzrahmen sprengen, denn immer gibt es einzelne unerschwingliche Stücke. Ich habe diesbezüglich immer wieder geschwankt. Insbesondere in einer Zeit, wo ich zum Kauf meines Häuschens Bargeld brauchte, habe ich gezielt verkauft, was mir z.T. inzwischen wieder leid tut, da ich bestimmte Stücke einfach nicht mehr gesehen habe. Jetzt konzentriere ich mich auf das Thema dieses Buches.

Vietnam
Ein Traum für mich war ein Urlaubsabstecher von Singapur nach Saigon (Wer sagt schon Ho Chi Minh). Für den Rest der Reise habe ich einen Rucksack voller Uhren der US Streitkräfte geschleppt und durch Ausfuhrkontrolle, Zollschranken und Sicherungen trotzen müssen. Das Gewicht haben die Schiffsuhren von Chelsea und Seth Thomas ausgemacht. Aber ich will keinen Run auslösen, es lohnt nicht. Ein paar defekte Schiffsuhren, wenige Flugzeugborduhren und einige vergammelte Armbanduhren sind noch da. Auf alles, was Armbanduhr ist, kommt ein Rolex Zifferblatt (auch auf die Bulova 10 AK kommt das obligatorische Oyster Perpetual Date und mir ist schleierhaft, wie man auf eine Brücke ein erhabenes Montres Rolex SA bekommt). Viele Werke sind wegen der tropischen Feuchtigkeit gammelig.
Vietnam lohnt nicht wegen der Militäruhren, eher wegen der Anmut der Annamitinnen in weißen Seidenpyjamas und frischen Blumen am Strohhut oder wegen des besten Daiquiri Südostasiens in der Bar des 'Vietnam House' im französischen Kolonialstil in der Rue Catinat (Verzeihung der Dongh Koi). Dies sind die Spuren von Graham Greenes Roman 'Der stille Amerikaner', eines meiner persönlichen Kultbücher. Am meisten gefreut hat mich, daß ich zu der Seth Thomas Mark I Deck Clock', die ich in Miami gefunden habe, hier das kleinere aber mit dem gleichen Werk ausgestattete Pendant die 'Mark I Boat Clock' gefunden habe: Ein selten schönes Uhrenpaar, welches ich jetzt aber an einen anderen Sammler abgegeben habe.

Erlebnisse nebenbei
Zum Glück ist mir alles richtig Militärische erspart geblieben und es reduziert sich auf Stammtisch-Politik und Freude an der Unschuld der Feinmechanik: Eine Uhr schießt nun mal nicht! Schon in meiner Phase des Motorrad-Oldtimer-Restaurierens war der interessantere Teil des Hobbies die Begegnung mit Menschen, oft Sonderlingen und die sich ergebenden Situationen. Das Aufsuchen der westdeutschen Uhrenmärkte und Auktionen ist mehr eine Pflichtübung, es muß sein, sonst könnte einem etwas entgehen. Auf einer Fahrt zur Uhrentechnik-Börse im Deutschen Museum in München, wo ich einen Stand gemietet hatte, habe ich mich Sonntag morgens um 6 Uhr in strömendem Regen bei Aschaffenburg mit meinem Auto überschlagen. Wenn ich morgens nach München fahre und abends wieder zurück sein will, dann muß ich schon auf das Tempo drücken. So stand ich dann mit meinem Uhrenköfferchen im Regen neben meinem rundum zerbeulten Auto am Abhang der Autobahn und kein Mensch sah mich in meinem Unglück. Aber ich hatte doch Glück, der einzige Schaden war das Auto und der schöne Uhrentag in München.
Beinahe Jagdfieber kommt auf in Situationen wie in Hinterzimmern der Altwarenhändler in Saigon oder freitags morgens im Dunkeln auf dem Burmondsey-Market in London, denn wenn ab 8 Uhr die Touristen kommen, ist alles schon durchharkt; oder Gespräche beim Schiffsabwracker im Hafen von Miami; in der zunächst untergegangenen Chronometer-Manufaktur von Ulysse Nardin in Le Locle, lange bevor Herr Schnyder den Namen wieder zur Edelmarke belebt hat.

In der Schweiz
Ich erinnere mich an das Herumlungern in den Tälern des Schweizer Jura, wo ich doch Freunde in Solothurn wohnen habe. Ich bin durch leerstehende Gebäude in Cortébert geschlichen, habe in St.Imier das Longines Museum entstehen sehen, habe mit H. Frey, dem Inhaber von Minerva in Villeret gesprochen und auf der Börse in La Chaud de Fonds viele echte Uhrmacher kennengelernt. Die Uhrmacher, die wir kennen, reparieren nur noch, wenn sie nicht gar nur noch Batterien wechseln müssen. Ich habe in der Schweiz fast keine Militäruhr gefunden, die Schweiz hat solche nicht und Re-Importe sind zu teuer, aber ich bekomme allemal auf Anruf z. B. einen für mich remontierten Chronographen für einen Bruchteil des Ladenpreises (natürlich nicht von IWC, Vacheron oder Patek). In Villeret ist auch die ursprüngliche Manufaktur Blancpain eingegangen. Sie hat im wesentlichen Bundeswehr, französische und amerikanische Marine mit Kampfschwimmeruhren (Fifty Fathoms) beliefert. Leider habe ich noch nicht den Fliegerchronographen 'Air Command' gefunden. Was H. Biver in Le Brassus zusammen mit Piguet aufgebaut hat und nun an die SMH verkauft hat, hat damit nur den Namen gemein. Überhaupt leben in meiner Sammlung noch einige untergegangene oder völlig veränderte Manufakturen, wie eben Minerva aus Villeret, Record aus Tramelan, Buren aus Büren, Cortébert lebt wohl noch bei der SMH, dem fast allumfassenden Uhrenkonzern der Schweiz, unter CWC als Marke für Militäruhren, Cyma aus Tavannes, Gallet mit seinen Tarnnamen Precista, Adanac (Umkehrung von Canada), und Marathon, Lemania in L'Orient hat sich von der SMH wieder verselbständigt, oder Helvetia in Reconvillier.
Zu den alten Uhrenmarken habe ich viele Gedanken und Anmerkungen, die nicht emotionslos sind. Die alten Manufaktur-Namen klingen in meinen Ohren, und ich weiß, daß nur wenige mit Anstand, d. h. auch in Wahrung von Traditionen, den Niedergang in den 70er Jahren überlebt haben, als alle Leute nur noch Quarz kaufen wollten. Ich gehörte dazu, und es war auch faszinierend, plötzlich eine absolut genau gehende Uhr zu haben, bis ich an mir bemerkte, daß ich zu Terminen auf die Sekunde pünktlich erschien, aber so wollte ich auch wieder nicht sein. Ich freue mich, wenn Marken noch oder wieder leben, mache mich lustig, wenn ein Branchenfremder die Markenrechte kauft und nur als Konfektionär vermarktet. Natürlich akzeptiere ich, wenn ein Finanzier einsteigt, wie der Ölmagnat Ahmed Zaki el-Jamani bei Vacheron & Constantin oder Mannesmann bei IWC und Jaeger Le Coultre, sowie jetzt auch bei Lange & Söhne. Ich finde es auch schön, wenn Marken ihre alten historischen Modelle wieder aufleben lassen, besonders, wenn alte Werkskonstruktionen wieder gebaut werden, wie z. B. die Polerouter mit Microrotor von Universal. Es wäre doch schade, wenn nur noch die sicher hervorragenden SMH-Kaliber wie Eta und Valjoux genutzt werden, wie bisher bei den Armbanduhren von IWC, erst neuerdings besinnt man sich dort auf die Kaliber der Schwestergesellschaft Jaeger Le Coultre.

Militärische Beschaffung
Amüsant ist ein Blick auf den nationalen Aspekt der militärischen Beschaffung. Die Schweiz hat natürlich im 2. Weltkrieg mit den jeweilig geforderten Spezifikationen an beide Seiten geliefert: Die Deutsche Wehrmacht forderte bei Armband- und Taschenuhren verschraubte Deckel und Stoßsicherung. So gibt es z. B. Taschenuhren von Zenith, Cortébert, Helvetia und Armbanduhren von Longines, Record etc. bei den Engländern und Deutschen, aber eben in diesen Merkmalen unterschiedlich. Wehrmachtsuhren wurden auch von sehr vielen kleinen sonst unbekannten Schweizer Herstellern bezogen. Die an die Deutschen gelieferten Rolex Kampfschwimmeruhren, waren ganz unsigniert.
Die Kampfschwimmeruhren für die italienischen Torpedoreiter und Froschmänner wurden von dem Händler Panerai importiert. Die Taucheruhren wurden im wesentlichen genutzt, um Netzsperren vor Häfen zu durchbrechen und Minen oder bemannte Torpedos an Schiffe oder Einrichtungen zu bringen. Von solchen Aktionen stammen die 'Panerai Luminor' oder 'Marina Militare' signierten Uhren (nicht nur Rolex!), sowie Tiefenmesser und UnterwasserKompasse. Der Lieferant von Schweizer Uhren für die italienische Luftwaffe war der Händler A. Cairelli in Rom.
Die Amerikaner haben noch im Krieg eine riesige Militäruhren-Fertigung im eigenen Land hochgezogen, z.T. auf der Tradition der Railroad-Watches beruhend, z.T. aber mit Neukonstruktionen, was Flugzeugborduhren und Marine-Chronometer anging. Es mußten auch immer mindestens zwei Lieferanten da sein. So haben Hamilton und Elgin die Borduhr gemeinsam entwickelt und getrennt, aber identisch hergestellt. Die Marine-Chronometer von Hamilton und Elgin waren vollständige Neukonstruktionen, nur Hamilton hat sich wegen der besseren Gangergebnisse zahlenmäßig behauptet.

Blick in die DDR
Ich muß noch ein paar kleine Erlebnisse erzählen. So habe ich in Glashütte nach den glorreichen Chronometer-Zeiten gesucht und traurig wenig gefunden. Aber das ist nur eine Frage der Erwartungen und die waren bei den illustren Namen zu hoch, denn ich habe schon einiges bekommen. Ein wie nachträglich feststellte bekannter Chronometerbauer der alten Schule H. Friebel hat meine große Fliegeruhr überholt und eine Feinreglage eingebaut. Eine Glashütte Schiffsuhr fand ich, und ein anderer hat das passende Zifferblatt mit den Funksperrzeiten besorgt. Die sehr seltene Flugzeugborduhr Cal. 71 habe ich sogar inzwischen gefunden. Exemplare der großen Taucheruhr der NVA mit Quarzwerk sowie eine B-Uhr der NVA mit gleichem Werk im Holzkasten habe ich gefunden.

Meine Japan-Connection
Viel Freude macht mir meine Japan-Connection. In irgend einer amerikanischen Publikation hatte ich über das Büchlein von Imai 'Military Design' gelesen und die ISBN-Nr notiert. Über einen japanischen Buchladen in Düsseldorf habe ich das Buch auch bekommen, als es in Deutschland noch keiner kannte. Als ich dies Büchlein auf einer Kölner Börse auf meinem Stand liegen hatte, sprach mich ein Japaner an, er sei Coautor des Buches: Das ist ja interessant, wie klein die Welt ist! Wir kamen ins Gespräch, und er fragt nach meiner Sammlung, und ob sein Chef H. Imai mich mal besuchen dürfte. Ja natürlich durfte er, und er kam mit einer ganzen Crew: Sekretärin, Dolmetscher, Photograph und Assistentin, in Frankfurt eingeflogen und zu mir nach Haus mit Gastgeschenk: Der japanischen Fliegeruhr der Kamikaze-Piloten und des Mitsubishi Zero-Fighters. Sie haben alles Notwendige photographiert, meine Dokumentation und eine ganze Reihe Uhren mitgenommen. Ich habe alles inzwischen zurück und warte auf das nächste Buch.
Kesaharu Imai war 'free-lance' Reporter im Vietnam-Krieg und betreibt heute den 'World Photo Press Verlag' mit Büchern und Zeitschriften über Uhren und Militärartikel. Das ist ein Profi, und so sehen seine Produkte aus. Als ich jetzt aus Vietnam zurückkam, habe ich ein Zippo, das Kult-Feuerzeug der US Streitkräfte, mit Vietnam-Gravuren mitgebracht. (Ich besitze auch noch ein eigenes aus den 50er Jahren.) Diese gibt es noch in Saigon, dürfen aber nicht ausgeführt werden. Ich kam also zuhause an und finde eine Sendung von K. Imai: Ein 250 Seiten 'Collectors Manual' über Zippo-Feuerzeuge, erstklassig in Hochglanz und Farbe aufgemacht. Hätte ich geahnt, daß es auch dafür Fetischisten gibt, ich hätte mir noch die Taschen mit Zippos vollgestopft, die hätten die Ausfuhrkontrolleure unter den Uhren auch nicht bemerkt.

Mein Verhältnis zur Sowjet-Macht
Aber ich fange nicht noch an, Feuerzeuge zu sammeln, sonst könnte ich ja auch mit sowjetischen Orden anfangen. Es gibt sogar Verrückte, die sammeln Jeeps. (Wie sagt der Rheinländer: Jeder Jeck ist anders.) Die sowjetischen Orden sind so schön bunt und immer, wenn ich in Berlin bin, schleiche ich ums Brandenburger Tor und bestaune die Devotionalien eines untergegangenen Imperiums, und der Schrecken läßt nach. Ja, ein bischen Schrecken habe ich schon empfunden, weniger als meine Mutter wegen Kohlenklauens im russischen Gefängnis in Gotha saß, wie sonst sollte man den Winter 46 überleben, da hat uns der russische Offizier geholfen, der mir auch Kirschen geschenkt hat, die ich noch nicht kannte. Aber als mein Vater, der zunächst von den Russen gefördert wurde, weil er kein NS-Parteigenosse war, zum drittenmal ohne Nachricht wochenlang verschwand, empfand ich das als Vierjähriger schon schrecklich. Heute erst wissen wir, daß die Sowjets die Konzentrationslager weiterführten, und zwar nicht nur für Nazis, sondern auch für nicht willfährige Bürger. Ich kann nur froh sein, daß das der Anlaß war, daß ich in Westfalen, der Heimat meiner Eltern, aufgewachsen bin.
Im Jahr 1992 habe ich die Russen auf dem Chemnitzer Güterbahnhof abfahren sehen, viele Güterzüge mit Panzern, LKWs, Kanonen und Stalinorgeln, 47 Jahre nachdem ich sie als Befreier einmarschieren sah. Ich bin auch um russische Kasernen geschlichen teils aus bürgerlicher Neugier aber auch, um nach technischem Gerät wie Uhren zu fragen, habe aber nichts gefunden. Die Mengen an Flugzeug- und Schiffs-Uhren, die in Westdeutschland oder Berlin auftauchen, kommen über andere Wege.

Reise in eine Vergangenheit
Oft habe ich ein schlechtes Gefühl, weil ich schon wieder Geld ausgegeben habe. Ich bin aber beruflich und privat oft unterwegs und stöbere gern bei einschlägigen Händlern herum. Wenn ich dann etwas finde, lohnt es meist finanziell, und es macht Spaß. Als die Grenzen im Osten sich öffneten, mußte ich dringend mal wenigstens kurz in des Dreiländereck zu Polen und der Tschecho-Slowakei gucken. Eine Woche habe ich mir genommen, um einfach mal ein Gefühl von Osteuropa zu bekommen. Es wurde eine hochinteressante Tour durch sechs Länder im deutsch-polnisch-tschechisch-österreichischen und auch jüdischen Grenz- und Geschichtsraum: Brandenburg, Schlesien, Galizien, Mähren, Böhmen und Sachsen.
In Prag fand ich dann bei einem Altwarenhändler eine Vacheron & Constantin ganz unschuldig zwischen anderen Taschenuhren liegen. Das gab einen Adrenalinstoß: Nichts anmerken lassen, erst andere Uhren ansehen und dann zufällig auch diese. Es war die Beobachtungs-Uhr der Deutschen Kriegsmarine mit Reichsadler und Hakenkreuz. Der Händler jedoch war pfiffiger, als ich dachte. Er hatte einen Auktionskatalog von Habsburg-Feldmann, so daß er Schweizer Preise kannte. Ich habe trotzdem einen guten Preis bekommen und hatte nur die Last mit dem Bargeld. Es war ebenso wie in Saigon, ohne die Möglichkeit von Plastikgeld oder Euroscheck werden wir plötzlich hilflos.
Ähnlich ging es mir bei einer zweiten Polenreise in Warschau bei einem kleinen Uhrmacher, der ein englisches Marine-Chronometer im Fenster hatte und so meine Aufmerksamkeit fand. Ich ließ mir die englische Uhr zeigen, fragte nach weiteren, und er holte aus dem Hinterstübchen ein Lange Einheitschronometer mit falschem Kasten, ein Ulysse Nardin Chronometer und, als ich weiter neugierig guckte, noch ein Ulysse Nardin hervor. Ich sah natürlich nach Nr. und Zustand und sah beim letzten Stück den Reichsadler mit Marine-Nr.. Genau dies Stück wollte ich natürlich, weil unsignierte Stücke auch von Handelsschiffen stammen können. Nach langem Zögern und Weggehen habe ich fair bezahlt. Das war wieder ein seltenes Schnäppchen, aber natürlich nur ein Nebeneffekt, denn ich wollte mit meiner Frau zu den masurischen Seen und auch entsprechend meinem Geschichtsbewußtsein das Warschauer Ghetto und Treblinka besuchen.

Nabelschau zum Schluß
Ich bin weder gelernter Uhrmacher, noch bin ich je Soldat oder Militärspezialist gewesen. Das, was ich weiß, stammt im wesentlichen aus Sekundär-Literatur. Ich habe kaum Zugang zu altem Original-Material der Hersteller noch zu Militär-Archiven. Erst wenig habe ich im Militärhistorischen Museum in Dresden gestöbert und den Kontakt zur Wehrtechnischen Studiensammlung in Koblenz ausgeschöpft.
Manchmal werde ich auch nachdenklich, es ist eine Beschäftigung mit der Vergangenheit, ich schaffe nichts, sondern bewahre höchstens etwas. Ich bin auch nicht blind gegenüber dem Hintergrund des Einsatzzwecks der Uhren nämlich dem Krieg. Der U-Boot-Kapitän hatte verdammt andere Sorgen, als sich an der Mechanik des Chronometers zu erfreuen. Schwerer wiegt, daß mindestens der zweite Weltkrieg eindeutig ein verbrecherischer Eroberungs- und Vernichtungskrieg war mit all der moralischen Verantwortung zumindest der freiwillig und verantwortlich Beteiligten sowie der Täter bei der Verletzung der Haager Landkriegsordnung oder schlicht der Menschlichkeit.
Vielleicht wandele ich mich nochmal und wende mich einem lebensnäheren Interesse zu, verkaufe meine Uhren wieder, zahle meine Schulden und betrachte dann die Blumen des Gartens meiner Frau anstatt vermeintlich perfekte Feinmechanik oder höre die Heckenbraunelle singen statt des Tickens der Ankerhemmung und das anstatt im Tresorraum der Bank in meinem Garten.
Einen Teil dieser Option wollte ich erfüllen, indem ich mich zumindest nur noch auf wenige Uhren deutscher Streitkräfte beschränke, denn auch dieses Teilgebiet läßt sich wieder beliebig ausdehnen, wie die weiteren Darstellungen zeigen.

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