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Hersteller von Militäruhren:
Taucheruhren der Officine Panerai

Zitat aus Giampiero Negretti, Veröffentlichung der Officine Panerai 1997

Florenz und die Officine Panerai
Die Wiege der Renaissance, Florenz, war auch für einige Jahre, nämlich von 1864 bis 1870, Hauptstadt des Königreichs Neapel. In dieser Zeit machte sich Guido Panerai in Florenz mit einer feinmechanischen Fachwerkstatt selbständig. Aufgrund der Qualität seiner Produkte gewann der Unternehmensgründer in kurzer Zeit das Vertrauen des Verteidigungsministeriums und erhielt von der Marine Aufträge für die Herstellung verschiedener instrumente. Die Zusammenarbeit mit der italienischen Marine dauert auch nach fast 150 Jahren weiter an, was ein Beweis für die Kompetenz und das Qualitätsdenken dieser Firma ist.

Aus den ersten Jahren der Zusammenarbeit sind allerdings keine Originalerzeugnisse mehr erhalten; die ältesten, noch erhaltenen oder wiedergefundenen Produkte entstanden in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts. Es handelt sich um mechanische Rechner des Baujahres 1913, die in den Folgejahren auf Schnellbooten zum Einsatz gelangten, Leuchtvorrichtungen für Schiffsartillerie, Torpedoziel- und -Zündvorrichtungen, Tiefenmesser, zeitgesteuerte Zünder und ähnliche Konstruktionen. Allen gemeinsam war die Forderung nach absoluter Zuverlässigkeit im Einsatz, von der ja im Ernstfall das Überleben der Besatzungen abhing. Deshalb galten hier in puncto Verarbeitungspräzision die allerhöchsten Maßstäbe, die teilweise nur mit eigengefertigten Werkzeugen und Maschinen in dieser Konsequenz zu realisieren waren. Deshalb ist das kleine Florentiner Unternehmen, das im Laufe der Jahre zuerst Guido Panerai & Figlio' und später Officine Panerai' hieß, nie der Versuchung erlegen, sich zu vergrößern und eine industrielle Massenfertigung aufzunehmen; schon der Mangel an hochqualifizierten Fachkräften hätte automatisch zu Qualitätsverlusten geführt.

Im Laufe der Jahre hat sich der Betrieb die Charakteristik einer 'Werkstatt' (im Italienischen: 'Officina') erhalten, in der die 'Alten' den Nachwuchs in die Kunst ihres Handwerks einweisen. Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von Zeiten, in denen die modernen automatischen CNC-Maschinen unserer Tage noch nicht einmal in ScienceFiction-Romanen existierten Selbst die komplexesten Schleif- und Drehvorgänge mit Toleranzen von Hundertstel Millimetern mußten von sicherer Hand ausgeführt und mit kundigem Auge begutachtet werden. Doch auch an die charakterliche Eignung der Mitarbeiter stellt man hohe Ansprüche, unterlagen (bzw. unterliegen) sie doch alle der für Marineaufträge üblichen Geheimhaltungsptlicht Neben den mechanischen Geräten spezialisierte sich das Unternehmen auch auf den Bau von selbstleuchtenden Vorrichtungen. In dieser Hinsicht besonders erwähnenswert ist der besagte Torpedobootrechner, eine Frühform heutiger ,Ziel-computer' mit damals allerdings noch völlig mechanischem Innenleben. Die Anzeigen beschriftete Guido Panerai & Figlio mit dem extrem leuchtkräftigen Speziallack Radiomir (abgeleitet von Radium). So konnte die Eingabe der Daten und die Abfrage der Ergebnisse an Deck auch bei völliger Dunkelheit erfolgen, was bei verdeckten Operationen auf See natürlich ganz 'offensichtliche' Vorteile bietet.

Spezialausrüstungen für Marinetaucher
Bis in die vierziger Jahre baute Panerai auch eine Reihe von Stablampen, Kompassen und Armbandtiefenmessern für die Taucheinheiten der italienischen Marine. Der Kompaß, so beschreiben es Marco Spertini und Erminio Bagnasco in mezzi d'assalto della X. Flottiglia Mas' (Albertelli Editore, La Spezia), bestand hauptsächlich aus zwei Teilen. '1. Die Metallgrundplatte aus rostfreiem, antimagnetischem Stahl, auf der eine robuste Kappe aus transparentem Plexiglas montiert war. Die selbstleuchtende Bezugslinie zum Ablesen entsprach dem Kappendurchmesser. An der metallenen Grundplatte war ein Lederarmband mit Edelstahlschließe befestigt. 2. Das in einer Dämpfflüssigkeit schwimmende Magnetelement bestand aus einem Quadranten mit selbstleuchtenden Reliefzeigern.' Diese noch relativ traditionelle Kompaßkonstruktion wies jedoch zwei Nachteile auf.

Erstens mußte die Ablesung immer genau in horizontaler Position erfolgen. Zweitens barg die unter Wasser erforderliche Leuchtkraft das Risiko, daß wachsame Augen oberhalb der Wasseroberfläche den Benutzer entdeckten. Deshalb modifizierte Panerai die Konstruktion im Laufe der Jahre. Zuerst realisierte man eine konische Ausführung, die das Ablesen des Kompasses auch in geneigter Position ermöglichte,später kam eine undurchsichtige Kappe mit Ablesefenster hinzu. Sehr interessant ist auch der Armbandtiefenmesser, der anfangs ebenfalls mit einem breiten Lederarmband ausgestattet war, das später durch ein Synthetikmaterial ersetzt wurde, stets jedoch mit einer breiten Schließe aus satiniertem Edelstahl versehen war.

In jenen Tagen baute Panerai auch verschiedene Tiefen-messer: ein bis zu einer Tiefe von 15 Metern wasserdichtes Modell, für den offensiven Einsatz gedacht, und eine bis zu einer Tiefe von 30 Metern dichte Version für den defensiven Einsatz bzw. für die Taucher, die feindliche Angriffe durchkreuzen oder eventuelle Sprengstoffladungen unter Schiffen oder Unterwasserminen finden mußten. Das Gerät war mit der 'Bourdon' Vorrichtung ausgestattet (der Name des Erfinders des Druckausgleichssystems) und mußte in regelmäßigen Abständen eingestellt werden: dazu war es möglich, die Angaben auf dem Quadranten zu verändern, indem man die Nutmutter einige Umdrehungen löste. Später baute Panerai Armbandtiefen messer mit Membran und vom Typ 'Bourdon', allerdings unter Verwendung einer Spezialflüssigkeit, die das Gerät zuverlässiger macht, da keine Nachstellungen mehr erforderlich sind.

Die Stablampe hingegen zeichnete sich durch eine Vorrichtung aus, die das selbsttätige Ein- oder Ausschalten der Lampe aufgrund eines Stoßes oder aufgrund des Tiefendrucks ausschloß. Um dies zu erreichen - schreiben Spertini und Bagnasco - wurde die gesamte Schaltgruppe mit einem Spezialsystem mit manometrischer Kompensation (Druckgleichgewicht) versehen. Äußere Teile in Edelstahl oder stark verchromtem Messing wurden mit einer Hülle aus salz-und ölbeständigem Gummi beschichtet, die man zuvor mit einem bruchfesten, transparenten Dichtungsfilm überzog. Ein Band zum Befestigen der Lampe am Handgelenk und ein Metallring zum Anbringen an ein Gestell komplettierten die Ausstattung.

Die frühen Paneral-Uhren
Die Technik, das Meer und die Zeit waren die drei Bereiche, in denen sich Officine Panerai immer weiter spezialisierte. Der Fachjournalist Stephan Ciejka, der Panerai einen ausführlichen Artikel in 'La Revue des Montres' (n. 30) gewidmet hat, datierte die erste Uhrenlieferung - wahrscheinlich Borduhren für die italienische Marine - bereits auf das Jahr 1867. Wenn sich diese Datierung auch nicht durch Archivmaterial belegen läßt, so ist doch sicher, daß die beiden Kinder des Gründers, Giuseppe und Maria, das Unternehmen immer enger an die Welt der Uhrmacherei heranführten und bereits in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts in Florenz ihre 'Qrologeria svizzera' eröffneten. Dieses Fachgeschäft gehörte zu den ersten italienischen Konzessionären der Prestigemarken Rolex und Patek Philippe und existiert noch heute. Kaum passender gewählt werden konnte wohl auch der Standort in unmittelbarer Nähe des Doms, wo Jahrhunderte zuvor Galileos Geistesblitz die Grundlagen der modernen Präzisionsmessung gelegt hatte.

Die bereits bekannte technische Kompetenz der Officine Panerai, ihre zunehmende Spezialisierung auf diesem Gebiet und die Kontakte in die Schweiz erklären auch, warum die italienische Marine uhrentechnische Entwicklungsaufträge an Panerai vergab, anstatt sich damit an etablierte Uhrenhersteller zu wenden. In dem Werk La Marina ltaliana nella Seconda Guerra Mondiale - Volume XIV - 1 mezzi d'assalto', herausgegeben vom Historischen Büro der Marine steht zu lesen: Infolge eines Antrags der Führung der 1. U-BootGruppe ordnet das Mi-nisterium an, daß die ständige Kommission bis September 1935 den Bau einer speziellen, leuchtenden Unterwasseruhr für Taucher prüft. Diese Kommission hat der Führung der 1. U Boot Gruppe bereits verschiedene Arten von im Handel erhältlichen Unterwasseruhren überlassen, die jedoch alle aufgrund schwacher Leuchtkraft und Wasserdichte bzw. Druckbeständigkeit wenig zufriedenstellende Ergebnisse zeigten.

Ein anderes von der Kommission vorgelegtes Exemplar einer Unterwasseruhr mit Batteriebeleuchtung erzielte beim Test im Meer keine guten Ergebnisse. Es kam zum sofortigen Beschlagen des Glases, zu Porosität des Gehäusematerials und zu einem schnellen Verbrauch der Batterien. Im März 1936 legte die ständige Kommission der Führung der 1. U-Boot-Gruppe eine Armbanduhr vom Typ Radiomir vor, die sich bei umfangreicher Tag- und Nachterprobung als optimal erwiesen hatte. So bestellte man umgehend zehn Exemplare dieser Uhr, die dann bei allen Übungen mit sehr zufriedenstellenden Ergebnissen eingesetzt wurden'.

Die oben beschriebenen Begebenheiten haben offiziellen Charakter, da sie auf den historischen Archiven der Marine basieren. Dementsprechend muß in gewissem Sinne die Entstehung der Radiomir-Uhr neu geschrieben werden. Bis heute hatte man aufgrund von anderen Dokumenten und von Experten gesammelten Zeugnissen angenommen, daß die ersten Uhren dieses Typs aus dem Jahre 1938 stammten. Vom 30. Qktober jenen Jahres stammt z.B. die Panerai Zeichnung für ein Projekt einer Unterwasseruhr. Es handelte sich jedoch nicht um eine vollständige Uhr, sondern lediglich um ein dichtes Gehäuse, in das man mit Hilfe von eigens dafür bestimmten Klammern eine normale Armbanduhr einlegen kann.

Ebenfalls aus dem Jahr 1938 stammt ein weiterer Prototyp, der nur zu Präsentationzwecken gebaut wurde, mit zwölfeckiger Lünette und der Inschrift Qfficine Panerai Brevettato', mit Echtheitszeugnis eines angesehenen Fachexperten. Das Zifferblatt trägt die Aufschrift Radiomir Panerai, und das Uhrwerk ist durch den transparenten Gehäuseboden sichtbar. Also stellt sich die Frage: 1936, wie von der Marine angegeben, oder 1938, wie viele Experten meinen und wie es bei Panerai heißt? Wahrscheinlich haben beide Recht, und das Geheimnis läßt sich durch die Analyse der politisch militärischen Situation dieser Jahre lüften.

Im September 1935, so liest man in den offi ziellen Marineakten, als die italienisch-britischen Beziehungen aufgrund der Äthiopienkrise höchst gespannt waren, ,,rückte die britische Flotte in den Mittelmeerraum ein', und die italienische Marine war nicht in der Lage, ihr Widerstand zu leisten. Keines unserer Kriegs-schiffe kann sich der englischen Flotte widersetzen.' Um ihre eigene Unterlegenheit auszugleichen, erwog die Marine ,verdeckte Operationen und Überraschungsangriffe durch Spezialkommandos zum Zeitpunkt des wahrscheinlichen Beginns der Feindseligkeiten'. Auf die Krise folgte eine relative Entspannung der internationalen Beziehungen, und am Ende des Frühlings 1936 stellte man die Pläne und Experimente für die Entwicklung von Angriffsmitteln zurück, um später, Ende 1938, wieder darauf zurückzugreifen, als sich die Gefahr eines neuen Konflikts abzeichnete.

All das könnte bedeuten, daß man bei Panerai nach Lieferung des ersten Prototyps die Studien einstellte und die ersten Zeichnungen vernichtete oder beiseite legte, und daß das Projekt zwei Jahre später wieder auflebte und man genau in dem Moment mit der Produktion begann, als die Marine die Uhren bestellte. Aus den offiziellen Akten geht nicht hervor, ob die ersten 10 bestellten Exemplare geliefert und sofort eingesetzt wurden, oder ob sie nach und nach getestet wurden, als die Schulung der Marinetaucher begann. Unter diesem Aspekt könnte das Projekt des wasserdichten Gehäuses den Versuch darstellen, einen wirtschaftlichen und schnellen Weg zu finden, innerhalb kurzer Zeit eine große Stückzahl Uhren mit den erforderlichen Eigenschaften zu produzieren. Dementsprechend könnte Panerai 1936 einen einzigen Prototyp erstellt haben, und die eigentliche Fertigung der inzwischen grundlegend modifizierten Uhr hätte dann erst zwei Jahre später begonnen.

Und so kommen wir zu dem, was nach Expertenmeinung und Archivmaterial 1938 als erstes Modell in Produktion ging. Es handelt sich um eine Uhr in ,Kissenform' mit großen Gehäuseabmessungen (47 mm Durchmesser), mit Gehäuse und verschraubter Krone sowie einem schwarzen Zifferblatt, auf dem keine Schrift erscheint und auf dem römische Ziffern, Zeiger und arabische Ziffern, die mit phosphoreszierendem Material beschichtet sind, aufeinanderfolgen. Als Armbandbefestigung dienten zwei gebogene und angelötete Bügel. Das mechanische Uhrwerk (Kaliber 16) mit manuellem Aufzug hat 15 Steine und keine Stoßsicherung: es trägt die Aufschrift Rolex, das Rohwerk ist jedoch ein Kaliber von Gortebert, das wahrscheinlich ursprünglich für Taschenuhren bestimmt war. Das Glas ist aus Perspex, wie bei den Tiefenmessern und Kompassen, und das Armband ist aus gelochtem Leder, das vor dem Einsatz eingefettet wurde. Die Armbandlänge ist so bemessen, daß die Uhr über dem Tauchanzug getragen werden konnte.

Uhrwerk, Gehäuseboden und Krone tragen die Aufschrift Rolex, was gemeinsam mit der grafischen Gestaltung des Zifferblatts den Gedanken nahelegte, daß es sich eher um eine kleine Serie aus dem berühmten Genfer Uhrenhaus handelt, als um ein Projekt von Panerai. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Haus Rolex selbst erklärt in einem Brief vom 11. Januar 1990 an den italienischen Sammler und Uhrenexperten Francesco Ferretti: Wir möchten klarstellen, daß Rolex niemals militärische Uhren produziert hat. Die Radiomir Panerai baute unser Konzessionär in Florenz in den 40er Jahren im Auftrag der italienischen Marine. Diese Uhr war eigens für den Kampfschwimmereinsatz gedacht, wobei Projektierung und Produktion durch die o.g. Firma erfolgte. Rolex beschränkte sich einzig und allein auf die Lieferung der Uhrwerke, weshalb die Uhren auch nicht unser Markenzeichen tragen'. Damit ist es sozusagen amtlich: die Panerai-Uhren wurden effektiv von Panerai gebaut, wobei man jedoch nicht nur Uhrwerke, sondern - zumindest am Anfang - auch andere Teile von Rolex, wie z.B. die verschraubte Krone, benutzte.

Auf dieses erste Modell, von dem das Panerai-Museum ein Ausstellu ngsstück besitzt, folgte bald ein zweites. Als gestalterische Unterschiede zu nennen sind die höher ausgeführte Lünette, der Schriftzug und 'Radiomir Panerai' auf dem Zifferblatt und die vergrößerten und modifizierten Zeiger. Die wichtigste Änderung betrifft jedoch die Struktur des Zifferblatts selbst. Das Florentiner Unternehmen hatte dieses Element völlig neu entworfen, um Funktionalität und Lesbarkeit zu verbessern: Anstelle der arabischen und römischen Ziffern des Vorgängermodells erscheinen vier große arabische Ziffern an den Hauptpunkten sowie acht lange, stabförmige Indizes. Ziffern und Indizes sind nicht mehr mit phosphoreszierendem Material beschichtet, sondern als Relief ins Zifferblatt eingearbeitet. In die Vertiefungen bzw. Ausschnitte füllte man eine Spezialmischung auf der Grundlage von Radium und versiegelte danach die bündige Oberfläche.

Dank der großen Menge an Radiumlack (von dem auch der Name der Uhr stammt) ergab sich eine enorme Leuchtkraft, die sich auch im Laufe der Zeit nicht abschwächte. Mit dieser Innovation hatte Panerai das erste Problem gelöst, das die Marinetaucher bei der Erprobung feststellten: das Zifferblatt mußte auch bei besonders schwierigen Bedingungen problemlos abzulesen sein. Die ersten PaneraiUhren, die tatsächlich zum Einsatz gelangten, waren Uhren dieser wenig beschriebenen beiden Typen: also die frühe arabisch/römische Version und das Modell mit den großen arabischen Ziffern, das sich in der Folge auch durchsetzte. Zu Fachdisputen gibt immer wieder die Tatsache Anlaß, daß der Schriftzug ,,Radiomir Panerai' nicht auf allen Zifferblättern erscheint. Das Fehlen des Schriftzugs sollte man allerdings nicht als Zeichen mangelnder Echtheit werten - es ist schon allein aufgrund des speziellen Verwendungszwecks dieser Uhren gerechtfertigt.

Für bestimmte Missionen bevorzugte die Marine 'anonyme' Uhren, um dem Feind im Verlustfall eine Identifizierung zu erschweren bzw. sogar unmöglich zu machen. Auch die Armbandhalterungen modifizierte man nach den ersten Praxiserprobungen, da die dünnen Drahtbügel bei Schlag- oder Stoßeinwirkung zum Verbiegen oder Brechen neigten. Bei dieser Gelegenheit überarbeitete man bei Panerai auch das Gehäuse, verstärkte es noch einmal durch eine Vergrößerung aller Teile. Die Bügel waren jetzt als fester Teil des Gehäuses aus dem Stahlblock herausgearbeitet und mit dem klassischen Federsteg versehen.

In den frühen 40er Jahren erfolgte dann die dritte Änderung. Es handelt sich um die wichtigste Modifikation, die den Panerai-Uhren die Exklusivität verleiht, die sie noch heute von anderen Unterwassermodellen unterscheidet. Bei manchen Exemplaren, die lange und tief unter Wasser gewesen waren, war über die verschraubte Krone Feuchtigkeit ins Gehäuseinnere eingedrungen. Der Grund hierfür lag nicht in einer Konstruktionsschwäche, sondern in den verwendeten Materialien und dem anspruchsvollen Einsatz-feld der Uhr. Um sie aufzuziehen und einzustellen, mußte man die Krone lösen und später wieder verschrauben: dadurch kam es nicht nur zu einer ständigen Beanspruchung des Metalls und der Dichtungen, oft mußte dies auch bei Dunkelheit und in großer Hast erfolgen, so daß die Taucher die Krone manchmal nicht richtig fest-schrauben konnten. Dieser Schwierigkeit begegnete Panerai mit dem Bau einer genialen Hebelvorrichtung, die man verständlicherweise erst nach Kriegsende offenlegte und patentierte.

Das Gehäuse erhielt auf der Kronenseite eine halbmondförmige Stahlarmatur, in deren Mitte ein Schließhebel gelagert war: Nach Lösen des Hebels konnte man die Krone frei drehen und die Uhr einstellen und aufziehen; bei Verriegelung des Hebels hingegen drückte er axial auf die Krone und preßte sie so perfekt in ihre interne Dichtung. Die Vorrichtung war bis zu einer Tiefe von ca. 200 Metern wasserdicht. Das lag zwar unterhalb jeder damals denkbaren Tauchtiefe, man legte aber Wert auf eine große Sicherheitsmarge, so daß die hermetische Dichtigkeit der Uhr unter allen Umständen gewährleistet war. Diese von Panerai konstruierte Innovation wurde schließlich 1956 in Bern patentiert. Die Vorrichtung, die außerdem die Krone vor Schlägen und anderen Einwirkungen schützte, war teilweise auch auf der linken Gehäuseseite montiert, da manche Taucher es bevorzugten, die Uhr am rechten Arm zu tragen. Die vierte Änderung, die auch aus den Jahren 1941-43 stammt, betrifft das Uhrwerk.

Verschiedene Uhren erhielten anstelle des Rolex-Kalibers ein Angelus-Uhrwerk (ebenfalls Kaliber 16) mit einer Gangreserve von acht Tagen. Bei diesen Modellen entfiel das häufige Aufziehen der Uhr unter schwierigen Einsatzbedingungen, so daß man auf die aufwendige Hebelverriegelung (die ja primär der Dichtigkeit diente) verzichten konnte. Die ersten Angelus-Kal iber wurden deshalb auch noch in Uhren mit Schraubkrone montiert. Wahrscheinlich verfolgte man diese Strategie, um eine kostengünstigere Alternative zu den Uhren mit Kronenarretierung anbieten zu können. Erkennbar waren diese Modelle an einem kleinen Zifferblatt mit Sekundenzeiger auf der 9-Uhr-Position. Die letzte wichtige Änderung erfolgte erst später im Bereich des Zifferblatts.

Als man im Zuge des technischen Fortschritts die Gammastrahlung des Radiomir-Zifferblatts erkannte, entwickelte Officine Panerai ein neues Gemisch ohne Strahlungsbelastung unter der Bezeichnung Luminor, die der neuen Uhrensene auch ihren Namen gab. Andere Änderungen betrafen die Aufschrift auf dem Zifferblatt (auf manchen Uhren erscheint die Aufschrift ,,Marina Militare'), da nach Kriegsende verschiedene Spezialmodelle im Auftrag anderer Marineeinheiten der Mittelmeerländer entwickelt wurden.

In diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben sind die sogenannten ,,ägyptischen' Modelle, die man in kleiner Stückzahl von ca. 30 herstellte. Sie zeichnen sich durch ein Gehäuse aus, das noch größer und mächtiger ist als bei den italienischen Radiomir-Modellen, außerdem sind sie mit einer drehbaren Lünette mit Kerben als Bezugspunkten ausgestattet.

Noch aus dem Jahr 1943 stammt das Panerai-Projekt für eine andere Marineuhr, die allerdings nicht für Taucher, sondern für Offiziere im Bord-einsatz geplant war. Die als Chronograph konzipierte Mare Nostrum gelangte bis zum Stadium eines Prototyps; insgesamt wurden drei Stück realisiert und in den Archiven finden sich noch einige Originalzeichnungen. Der Chronograph hatte eine klassische Form mit Drückern und einer großen, fixierten Lünette. Der Name ,,Mare Nostrum' war früher bereits für andere Marine-konstruktionen von Panerai in Erscheinung getreten. Wenngleich der Chronograph in den Wirren jener Jahre nie zu Serienreife gelangte, dauerte die Zusammenarbeit zwischen dem Florentiner Unternehmen und der Marine auch in der Friedenszeit fort. Schon allein mit Blick auf die Kosten und die daraus abzuleitende Wertigkeit der Produkte verdient ein Marineauftrag aus dem Jahre 1954 Erwähnung. Zusammen mit einer Lieferung von Stablampen bestellte die Marine seinerzeit 30 ,,patentierte Unterwasseruhren' zum Stückpreis von 75.000 Lire. Zum Vergleich: Damals kosteteine wertvolle Unterwasseruhr wie die Rolex 'Submariner' in Italien 67.000 Lire (Preisliste von 1957).

Begleiter mutiger Missionen
Die Unterwasserspezialeinheit Gruppo Gamma der italienischen Marine und ihre Kameraden von den lncursoriKampftauchern erwarben sich im Laufe ihrer Geschichte immer wieder Ruhm und Respekt nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf Seiten ihrer Gegner. Am Handgelenk dieser Männer bestanden auch die Radiomir und die Luminor Bewährungsproben der härtesten Art.

Die italienische Marine begann bereits früh mit der Entwicklung und dem Einsatz von Unterwasserkampfmitteln. Unter den zahlreichen erfolgreichen Missionen ist sicherlich jene am 31. Oktober 1918 hervorzuheben, als es dem Schnellboot Mas 95 mit Major Raffaele Rossetti und Oberleutnant Raffaele Paolucci an Bord gelang, sich unerkannt dem Hafen von Pola zu nähern. An einen schwimmenden Transporttorpedo des Types Mignatta geklammert, drangen die beiden Offiziere in die Reede vor, wo sie zwei mitgeführte Sprengladungen am Rumpf des österreichischen Panzerkreuzers 'Viribus Unitis' (über 21.000 Tonnen) plazieren und erfolgreich zünden konnten. Von diesen ersten, noch eher primitiv konstruierten Mignattas wurden seinerzeit nur zwei Exemplare gebaut. Ende 1935 griff man die Grundidee jedoch wieder auf und begann mit dem Bau der Prototypen der sogenannten S.L.G.

Ersten Entwicklungen folgte jedoch eine Unterbrechung von zwei Jahren bis Ende 1938, als der Marinestab nach der Monaco-Krise endgültig entschied, in La Spezia eine Spezialsektion der 1. Mas Flottille ins Leben zu rufen (aus der später eine autonome Sektion mit der Bezeichnung X. Mas-Flottille hervorging), mitder Aufgabe, die Soldaten zu schulen und verschiedene Kampfmittel zu entwickeln. Die Abkürzung S.L.C. stand für ,,Silun a Lenta Corsa'. Es handelte sich dabei um torpedo-ähnliche Mini-U-Boote, die zwei rinlings auf dem Rumpf sitzende Taucher transportierten. Im Unterschied zur 'Mignatta' konnten die S.L.C. jedoch auch unter Wasser navigieren. Bei Angriffen auf feindliche Ziele sollten sich diese im deftigen Marinejargon ,,maiali' ('Schweine') getauften Mini-UBoote schon wenige Jahre später als hocheffektiv erweisen, wobei Marinehistoriker die mit ihrer Hilfe versenkte Gesamttonnage auf rund 200.000 Tonnen beziffern.

In die Nähe ihrer Ziele wurden die S.L.C. normalerweise von U-Booten transportiert, die an den Seiten oder an Deck mit großen zylindrischen Behältern ausgestattet waren. Bei den letzten Angriffen gegen Gibraltar gingen die S.L.C. aus dem Kielraum des Tankschiffs ,,Olterra' zu Wasser, das im spanischen Hafen von Algesiras vor Anker lag und mit einem Versteck für die Kampfschwimmer ausgestattet war. Einmal im Zielbereich angelangt, bewegten sich die S.L.C. meist unter der Wasseroberfläche, bis sie unter den feindlichen Schiffen waren, die im Hafen vor Anker lagen. Dort lösten die Kampfschwimmer die Sprengladungen (ca. 230-250 kg), befestigten sie unter dem Rumpf und stellten den Zeitzünder ein. Alle Vorgänge, vom Start der Mission bis zur Einstellung der Zünder, von der Berechnung des Tiefgangs bis zum Eintreffen am Stützpunkt, mußten präzise und perfekt abgestimmt erfolgen, so daß die Zuverlässigkeit der Armbanduhren und der Zeitzünder für einen erfolgreichen Ausgang der Mission von fundamentaler Bedeutung waren. Zwischen dem 10. Juni 1940 und dem 8. September 1943 sind mehr als 20 Missionen dieser Art dokumentiert.

Längst zur Legende geworden ist die Mission in der Nacht vom 18. auf den 19. Dezember 1941 im Hafen von Alexandria in Ägypten. 'Katastrophaler Schiffsverlust im östlichen Mittelmeer', vermerkte Alan Brooke, Chef des britischen Generalstabs, mit Datum vom 19. Dezember in seinem Tagebuch. Anlaß war die Versenkung der Schlachtschiffe ,,Valiant' und ,,Oueen Elizabeth' (je 30.600 Tonnen), die zusammen mit einem Tanker und einem Zerstörer von sechs italienischen Tauchern außer Gefecht gesetzt worden waren. Die sechs Taucher waren Luigi Durand De La Penne, Emilio Bianchi, Antonio Marceglia, Spartaco Schergat, Vincenzo Martellotta und Mario Marino. Bei der Versenkung der ,Valiant' kam es zu einer dramatischen Entwicklung, wie sie kein Thriller-Autor fesselnder hätte erdenken können.

Mit der Mission gegen dieses Schiff hatte man den Oberleutnant zur See Luigi Durand De La Penne sowie seinen Zweiten Offizier, Emilio Bianchi, betraut. Nachdem die Torpedoschutznetze des Schlachtschiffes überwunden sind, kommt es im dunklen Wasser zu einer leichten Kollision mit dem Schiftsrumpf, wodurch das S.L.C. ca. 17 Meter absinkt. Die Distanz zum Schiff beträgt zwar nur ca. 15 Meter, aber das MmiU-Boot kann sich aus eigener Kraft nicht mehr bewegen, da sich ein Drahtseil in der Schraube verfangen hat. Dazu kommt, daß Bianchi durch die Kollision das Bewußtsein verloren hat und an die Oberfläche getrieben ist. So ist De La Penne auf sich allein gestellt und macht sich daran, das schwere S.L.C. mit der Kraft seiner Arme und Beine in Position zu bringen. Nach 40 Minuten unerhörter Anstrengungen gelingt es ihm tatsächlich, es unter den Rumpf des Panzerkreuzers zu schleppen, den Zünder einzustellen und wieder aufzutauchen. Er wird jedoch entdeckt und zusammen mit dem in der Zwischenzeit von den Engländern aus dem Wasser gefischten und gefangengenommenen Bianchi an Bord des Schiffs gebracht. Hier werden die beiden Italiener vom Kommandanten der ,,Valiant', Charles Morgan, persönlich verhört. Der will natürlich wissen, an welchem Punkt des riesigen Rumpfes Sprengladung montiert ist. Da De La Penne aber eisern schweigt, läßt ihn der britische Kapitän unter Bewachung in einen Hellegatt einschließen.

Da die Engländer seine Uhr konfisziert haben, verfolgt De La Penne unauffällig das Verstreichen der Zeit auf den Uhren seiner englischen Bewacher. Gegen sechs Uhr, als die Explosion unmittelbar bevorsteht, verlangt er ein weiteres Gespräch mit dem Kommandanten. 'Gehen Sie davon aus, Herr Kapitän, daß das Schiff in wenigen Minuten in die Luft geht,' zeichnete De La Penne in einem späteren Bericht seine Worte auf, 'daß Sie nichts mehr dagegen tun können, daß aber noch Zeit ist, zumindest die Mannschaft in Sicherheit zu bringen, wenn Sie wollen'. Der wütende Morgan befiehlt die sofortige Evakuierung des Schiffs und läßt den italienischen Offizier wieder in das Hellegatt einschließen, so daß auch er mit in die Luft gesprengt wird.

Um 6.15 Uhr gibt es eine gewaltige Detonation: 'Das Schiff bekommt einen mächtigen Schlag', schreibt De La Penne, 'alle Lichter gehen aus und der Maschinenraum ist voller Rauch... Das Schiff neigt sich nach links. Ich öffne ein Bullauge nahe an der Wasserlinie in der Hoffnung, so herauszukommen. Aber es ist nicht möglich, denn es ist zu klein... Ich steige die Treppe hoch, und, nachdem ich eine offene Tür gefunden habe, wende ich mich zum Heck. Achtern sehe ich noch Teile der Mannschaft.'

Einige Minuten später, während De La Penne immer noch auf der 'Valiant' ist die sich zu einer Seite geneigt hat, erschüttert eine weitere Explosion den Hafen und setzt die 'Queen Elizabeth' außer Gefecht. Die britische Führung und Öffentlichkeit waren vom Erfolg der Mission völlig schockiert. Premierminister Winston Churchill gab anläßlich einer Ansprache einige Monate später die Demütigung zu: 'Sechs Italiener in merk würdigen Taucheranzügen haben mit ihren relativ primitiven Kampfmitteln das militärische Gleichgewicht im Mittelmeer praktisch im Handstreich zugunsten der Achsenmächte gekippt.' Ein Statement, aus dem deutlich Respekt heraus-zuhören ist, selbst wenn es sicherlich mit zusammengebissenen Zähnen und geballten Fäusten abgegeben wurde.

Nach Kriegsende erhielten alle Teilnehmer an der Mission einen Orden, und es war Morgan, der Kommandant der 'Valiant', selbst, der sie Durand De La Penne an die Brust heftete. Als in den 50er Jahren ein spannender Spielfilm über die Mission entstand, drehte man teilweise noch mit Originalausrüstung, und einige der Beteiligten, darunter auch De La Penne, standen den Produzenten beratend zur Seite.

Nur wenige Freiwillige konnten sich für den harten Dienst bei den Kampfschwimmern und der Gruppo Gamma qualifizieren. Unter ihnen war auch Oberleutnant Luigi Ferraro, ein Artilleneoffizier, der sich zur Gruppe Gamma der X. Mas meldete. Anders als ihre Kameraden bei den lncursori vertrauten die Mitglieder der Gruppo Gamma nicht auf Mini-U-Boote. Sie erreichten ihr Ziel, indem sie schwammen oder sich mit 'Handkoffern' voll Sprengstoff auf dem Meeresgrund bis unter den Rumpf der Zielobjekte vorarbeiteten.

Zwischen dem 30. Juni und dem 1. August 1943 sprang Ferraro vom türkischen Ufer aus viermal ins Meer, schwamm kilometerweit und unternahm lange Tauchgänge, um Sprengladungen unter drei feindlichen Schiffe zu plazieren: die vierte konnten die Engländer noch rechtzeitig aufspüren und entschärfen. Bei diesen Operationen in neutralen Häfen verwendete man Spezialzünder, die erst anschlugen, wenn das Schiff eine Geschwindigkeit von mindestens fünf Knoten erreicht und eine bestimmte Distanz zurückgelegt hatte. Dies sollte verhindem, daß die Explosion einer Mine zugeschrieben wurde oder sich innerhalb des Hafens ereignete, was diplomatische Verwicklungen provoziert hätte. Von diesen Missionen behielt der nach Kriegsende ebenfalls mit einem Orden dekorierte Ferraro zwei wertvolle Erinnerungsstücke: die einfachen Marineschwimmflossen und die ihm anvertraute Radiomir Unterwasseruhr von Panerai.

Auch nach dem Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten wurden die Radiomir-Uhren von den italienischen Marineeinheiten, die nun auf der Seite der Alliierten standen, weiter verwendet. Die Engländer setzten auch italienische lncursori und ihre eigenen 'Chariots' (die von den Engländern kopierten S.L.C.) ein, um 1945 in den Hafen von Genua vorzudringen und den Flugzeugträger 'Aquila' anzugreifen.

Der Krieg war einige Monate nach dieser Operation beendet, die Uhren, Kompasse und Tiefenmesser bewährten sich jedoch noch viele Jahre lang, nicht zuletzt bei der Minenräumung im Mittelmeerraum und bei den Taucherausbildern in verschiedenen alliierten Ländern. In den Jahren des Kalten Krieges kamen sie auch gelegentlich bei Geheimoperationen zum Einsatz. 1953 bildete die italienische Marine erneut eine Gruppe von Spezialisten für Unterwasseroperationen, die bis heute im Rahmen der NATO ihren Beitrag zu Friedenssicherung und Stabilität in Europa leisten.

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