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Deutsche Hersteller von Militäruhren:
Uhrenfabrik F. L. Löbner, Berlin

von Volkhard Cremer, Jörg Hein
veröffentlicht in 'Alte Uhren und moderne Zeitmessung 2/90 Callwey München'

Uhrensammler stoßen immer wieder auf die Firmenbezeichnung F. L. Löbner, Berlin, und zwar im Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Uhrentypen. Die Palette reicht hier von der einfachsten Zylinderuhr mit 6 Steinen über Armbanduhren, Genfer und Glashütter Präzisions-Taschenuhren bis zur feinsten Präzisions-Pendeluhr und zu wissenschaftlichen Instrumenten für die Kurzzeitbestimmung.

Firmengeschichte
Begonnen hat dies alles mit Franz Ludwig Löbner, der am 26. September 1836 in Torgau als Sohn eines Drechslermeisters geboren wurde und dort nach der Schulzeit bei dem Uhrmachermeister Otto in die Lehre ging. Die Wanderjahre führten ihn zuerst nach Leipzig und dann als 2ljährigen im Jahre 1857 nach Berlin. Dort legte er fünf Jahre später seine Meisterprüfung ab und gründete am 1. Oktober 1862 sein eigenes Geschäft. Die Gründerjahre der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts boten ja für einen eifrigen und talentierten Uhrmacher große Möglichkeiten, aber der junge Löbner musste auch gegen Männer wie Eppner und Thiede bestehen, die zu dieser Zeit in Berlin tätig waren. Offensichtlich verfügte er jedoch nicht nur über einen sehr gesunden Geschäftsgeist, sondern auch über eine hervorragende Befähigung auf dem Gebiet der praktischen und theoretischen Uhrmacherei. Sein Geschäft, das in der Potsdamer Str. 11 gegründet wurde und nach einigen Adressenänderungen rund um den Potsdamer Platz, dann in der Potsdamer Str. 23 seinen endgültigen Firmensitz fand, bot Uhren der verschiedensten Hersteller an, die dann zum Teil auch den Schriftzug »F. L. Löbner, Berlin« trugen.

Die eigene Entwicklungs- und Konstruktionstätigkeit konzentrierte sich von Anfang an auf Kurzzeit-Meßgeräte wie die bekannten Tertien-Zähler oder z. B. eine Uhr zur Messung von 1000stel Sekunden mit einem Zifferblattdurchmesser von 3 m, abgebildet in der Deutschen Uhrmacherzeitung des Jahrgangs 1895. Eines seiner letzten Werke war dann der so genannte »Ewige Kalender« im Lesesaal des Deutschen Reichstages, eine Uhr, die mit einem ewigen Kalender für die nächsten 2000 Jahre ausgestattet war und Tag, Datum, Monat, Jahreswechsel und Mondphase anzeigte.

Franz Ludwig Löbner übergab seine Firma 1897 an Otto Fritz und starb am 16. Juni 1921, 85jährig, in Berlin. Dass sein »Ewiger Kalender« dem Reichstagsbrand zum Opfer fiel, musste er nicht mehr miterleben.

Lieferprogramm
Die Firma Löbner verstand sich immer als Uhrenfabrik und weniger als Uhrengeschäft, obwohl anhand des Programms zu sehen ist, dass wohl mehr als 90% der angebotenen Uhren von anderen Herstellern stammten. Im Musterlager in der Victoriastr. 22 und in den Verkaufsräumen Potsdamer Str. 23 wurden Uhren ab 8,- Mark angeboten, Damen- und Herrenuhren in den verschiedensten Ausführungen (Stahl, Nickel, Silber, Gold), aber schwerpunktmäßig auch feinste Genfer Präzisionsuhren in höchster technischer Vollendung sowie Glashütter Uhren bis hin zum so genannten »Anker-Chronometer« von A. Lange & Söhne. Glashütter Repetierer mit Selbstschlag und Grande Sonnerie (mit Preisen von 8000,- Mark), Genfer Anker-Remontoirwerke mit Doppelchronograph, Minutenrepetition, ewigem Kalender etc. (bis zu 2600,- Mark) und feinste Deckuhren mit Chronometergang.

Im Angebot folgen dann Stoppuhren, Taschenwecker, Wagen- bzw. Automobiluhren, Jahresuhren, Schreibtischuhren und feine Pariser Pendulen sowie Reiseuhren. Neben einfachen Zimmer- und Hausuhren werden Spezialanfertigungen wie Wächter-Kontrolluhren angeboten bis hin zur astronomischen Pendeluhr mit Glashütter Werk. Die Abbildungen zeigen Sekundenpendeluhren, die zwar F. L. Löbner, Berlin, W9, signiert sind, aber anhand der Nummerierung als Werke der Firma Strasser & Rohde in Glashütte zu identifizieren sind. Beide Uhren weisen Mahagonikästen und quadratische Zifferblätter auf, wobei die hervorragende Pendeluhr mit der freien Strasser-Hemmung wegen des frühen Riefler-J-Pendels sehr genau zu datieren ist. Das Pendel Nr.43 wurde am 7.12.1900 von der Firma Riefler an Strasser & Rohde ausgeliefert. Den Anzeigen der Firma Löbner ist darüber hinaus zu entnehmen, dass neben der Produktion und dem Verkauf auch eine Reparaturwerkstätte betrieben wurde, in der bis zu 30 Fachkräfte speziell für die Reparatur an feinen, komplizierten und auch antiken Uhren eingesetzt wurden.

Wie schon angedeutet, liegen die eigentlichen uhrmacherischen Verdienste von F. L. Löbner jedoch bei den Kurzzeitmessern. So waren die meisten europäischen Pferderennbahnen mit Rennbahnuhren von Löbner ausgestattet. Für wissenschaftliche Zwecke entwickelte Löbner den so genannten »Tertien-Zähler« in vielen unterschiedlichen Anordnungen, wobei diese Geräte besonders bei der Messung von Zünderbrennzeiten sowie von Geschossflug-Zeiten verwendet wurden.

Eine Weiterentwicklung war dann das Chronoskop mit 1000stel Sekundenmessung. Interessant ist hier sicher auch die einem Firmenkatalog entnommene Referenzliste, aus der die Abnehmer von Zentraluhranlagen, von Turmuhranlagen sowie von Tertienuhren und Chronoskopen hervorgehen.

Daneben hat sich F. L. Löbner auch mit der Konstruktion und Weiterentwicklung von Hemmungen für Pendeluhren befasst. Mit der Patentschrift Nr. 8916 vom 10. August 1879 wurde für F. L. Löbner ein »freier Ankergang für Pendeluhren« patentiert. Der Patentanspruch betrifft »das am Pendel angebrachte Bogenstück a b mit der Leitrinne cd und den Auslösestücken e e in Verbindung mit der Ankergabel g und dem Führungsstift h, durch deren Zusammenwirken ein freier Ankergang bei Pendeluhren erreicht wird«.

Wie aus der Abbildung ersichtlich, ist hier tatsächlich eine weitestgehende Entkoppelung von Pendel und Werk erreicht, so dass man zu Recht von einer freien Hemmung sprechen kann. Das Steigrad ist hier als Stiftenrad gedacht, aber alle sonst üblichen Formen bzw. Zahnformen von Steigrädern wären hier genauso möglich. Ob tatsächlich Uhren mit diesem Gang von Löbner gebaut wurden, ist allerdings nicht bekannt. Zwei weitere Patentschriften (Nr. 15423 und Nr. 18321) aus den Jahren 1881 bezogen sich auf das »Selbstangehen des Pendels bei Pendeluhren«, vergleichbar mit dem Selbstangehen bei Taschenuhren.

Als letztes soll noch auf ein Unikum hingewiesen werden, das ebenfalls von F.L. Löbner entwickelt und gebaut wurde, und zwar die »Kleinste Uhr der Welt«. Wie klein diese Uhr ist, zeigen die nachfolgenden Daten: Der größte Durchmesser des Gehäuses beträgt 10,5 mm, die »Dicke« 3 mm. Das Zifferblatt misst 5,75 mm im Durchmesser, der Minutenzeiger 2,4 mm, und der Stundenzeiger ist 1,3 mm lang. Das vollständige Werk besteht aus 95 Einzelteilen und wiegt 0,93 g. Die Stärke der Federklinge beträgt 45/1000stel mm, und das Gangradtrieb hat 6 Zähne bei einem Durchmesser von 0,39 mm (!). Die Uhr hatte Zylinderhemmung und Schlüsselaufzug.

Aus der Zeit nach dem Ausscheiden von F. L. Löbner aus der Firma ist nur noch wenig überliefert. So wurde z. B. die Firma Löbner 1905 Hoflieferant der Kaiserlichen Marine und 1913 dann auch Königlicher Hofuhrmacher. Die letzte Eintragung im Berliner Adressbuch stammt von 1939 mit dem Zusatz »Uhrenfabrik und Feinmechanische Werkstätte«.

Ab 1940 fehlt dann jeder Hinweis, und es ist anzunehmen, dass das Geschäft mit Beginn des Zweiten Weltkrieges aufgelöst wurde.

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