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EIN BUCH ZUR GESCHICHTE:
DIE UHREN DER DEUTSCHEN STREITKRÄFTE
Andreas Komanns in 'ARMBAND UHREN' 6/98

Die Informationen und das Bildmaterial für diesen Beitrag wurden mit freundlicher Genehmigung des Autors Dr. Konrad Knirim aus dem Buch «Militäruhren - Die Uhren der deutschen Streitkräfte 1870 bis 1990» übernommen. 444 Seiten mit 1400 zumeist farbigen Abbildungen. 198 DM. Vertrieb über Verlag Peter Pomp, Tel.: 02041/7471-20

Mit wissenschaftlicher Genauigkeit und gebotener Objektivität ordnet der Maschinenbauingenieur und Physiker Dr. Knirim nach politischen Zeitabschnitten getrennt die Militäruhren der deutschen Streitkräfte in ihren jeweiligen historischen Kontext ein. Detailverliebt erzählt er dabei, umrahmt von teilweise bewegendem Bildmaterial, alle Verwendungszwecke der militärischen Zeitmessung vom Marine-Chronometer der kaiserlichen Marine über Panzeruhren des Dritten Reiches bis hin zu den Auszeichnungsuhren, die noch 1990 den NVA Soldaten «Für treue Dienste in den Kampfgruppen der «Arbeiterklasse» verliehen wurden.
Knirim gelang es, ein eindrucksvolles und historisch bedeutsames Kompendium zusammenzustellen, in dem sich Uhrenliebhaber «festlesen» werden.

Die Gründung des zweiten deutschen Reiches 1871 besiegelte infolge des Seemachtstrebens von Kaiser Wilhelm II die staatliche Förderung des Chronometerbaus und damit den Aufschwung Glashüttes zur Uhrenmetropole in Deutschland. Zur Erweiterung des Kolonialreiches in Afrika und im Südpazifik benötigte die Kriegsmarine für den Schutz der Handelsflotte in großen Mengen Chronometer und Beobachtungsuhren zur Navigation. Die Bemühungen der Uhrenindustrie konzentrierten sich in den Folgejahren entsprechend den Vorgaben des Admirals von Tirpitz auf die Unabhängigkeit von englischen Bauteilen und die Verdrängung der Schweizer Chronometer von Ulysse Nardin, Vacheron & Constantin sowie IWC aus diesem Marktsegment. Noch bis 1887 stammten jedoch die meisten in der Deutschen Seewarte in Hamburg geprüften Chronometer und Werkteile aus England.

Glashütte setzt sich durch
Nach und nach gelang schließlich den Glashütter Konstrukteuren Lauritz Jensen und Ferdinand Adolf Lange mit der Entwicklung der Nickelstahl-Guillaume-Unruh und ab 1911 mit der Earnshaw-Unruh der Durchbruch zur eigenständigen Chronometerproduktion. Nachdem die ersten Armbanduhren der kaiserlichen Marine bezeichnenderweise noch von Schweizer Herstellern (z. B. Girard-Perregaux) geliefert. Auffälligstes Merkmal war das ans Gehäuse geschweißte Gitter über dem Zifferblatt-Glas. Im ersten Weltkrieg wurden diese Uhren dann ebenso ans Heer verteilt und infolgedessen als «Schützengrabenuhren» bekannt. Gleichzeitig begann der Aufstieg der Flugzeugtechnik, die umgehend Militärflieger-Uhren erforderlich machte. Es handelte sich bei diesen ersten Exemplaren um Taschenuhren mit der Aufzugskrone nach unten zum Einhängen in ein Flugzeug-Cockpit. Schließlich setzten sich aber spezielle Lederarmbänder durch, die das Tragen der Uhren am Handgelenk ermöglichten.

Industrialisierung der Militäruhren
Die Reparationsauflagen der Alliierten während der Weimarer Republik sorgte logischerweise für einen völligen Stillstand in der Militäruhrenproduktion, da nahezu die gesamte Marine aufgelöst wurde, und auch jegliche fliegerische Betätigung untersagt war. 1923 betrug die Arbeitslosigkeit in Glashütte 85 Prozent. Erst mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und der damit einhergehenden Aufrüstung wurden wieder Militäruhren im großen Stil gebaut.

Neue militante Errungenschaften waren beispielsweise Peiluhren für Torpedoangriffe, Flakuhren oder spezielle Stoppuhren für den Bombenabwurf. 1941 wurde beispielsweise auf Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht mit der Herstellung der Lange-B-Uhren des Kalibers 48 und 48.1 in großen Stückzahlen begonnen. Es handelte sich um ein Basiskaliber, das an verschiedene Bedürfnisse angepaßt werden konnte: als Taschenuhr mit Auf-und Ab-Anzeige bei der 9 und einer kleinen Sekunde bei der 3 für die Marine; oder als übergroße Armbanduhr mit Zentralsekunde für die Navigation der Langstreckenflugzeuge der Luftwaffe. Erstmalig kamen auch druckwellenresistente U-Boot-Chronometer von den Wempe-Chronometerwerken zum Einsatz. Neben den bekannten Namen tauchen nach und nach im Rahmen der industriellen Luftwaffen-Uhren-Produktion neue Hersteller wie Tutima in Glashütte sowie Hanhart, Kienzle und Junghans im Schwarzwald auf. Die meisten Schweizer Hersteller blieben - aus sicher schwierig zu bewertenden Gründen - auch während des Krieges Lieferanten des deutschen Militärs.

Sonderwege der Geschichte: Bundeswehr und NVA
Nach dem Krieg wurden die Glashütter Uhrenhersteller sequestriert, später enteignet und 1951 unter dem Namen VEB Glashütter Uhrenbetriebe vereinigt. Neben den zweckgebundenen NVA-Uhren, etwa den Kampfschwimmer- und Taucher-Armbanduhren aus Ruhla wurden in großer Stückzahl sogenannte Auszeichnungsuhren gefertigt.

Die Bundeswehr wurde dagegen von zahlreichen Herstellern aus dem In- und Ausland beliefert. Neben den Armbandchronographen von Junghans, Tutima Orfina, Heuer-Leonidas, den Flugzeug-Borduhren von Sinn und AEG, den Taucheruhren von IWC und Blancpain oder den Chronometern von Breguet bzw. Ulysse Nardin finden sich auch US-Schiffsuhren der Marken Chelsea und Hamilton auf einer - erstmalig in Knirims Buch veröffentlichten - Liste des Bundeswehr-Amtes für Wehrtechnik und Beschaffung. Als eine Besonderheit darf sicherlich die 1978 eingeführte Heuer «Chronosplit» für die Fernspähtruppe gelten. Bei der Uhr handelt es sich um eine mit zwei Werken, zwei Batterien und zwei digitalen LCD-Flüssigkristallanzeigen ausgestattete Quarzuhr, die sich, vermutlich durch Abdichtungsprobleme oder zu hohen Stromverbrauch, nicht bewährt hat.

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