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Militäruhren:
Die Uhren deutscher Streitkräfte
Teil 2: nach 1945 - von Konrad Knirim veröffentlicht in 'Klassik Uhren', Juni 1995

Sowjetische Zone und DDR
Nach dem Krieg wurden zunächst die noch vorhandenen Bestände in Glashütte z.T. mitsamt den Fertigungseinrichtungen wie auch die Prüfeinrichtungen der Seewarte in Gesundbrunnen bei Dresden in die Sowjetunion als Reparationszahlungen verschickt. Tutima Fliegerchronographen wurden z.T. kistenweise an den sowjetischen Kommandanten in Dresden abgeliefert. Ich sah jetzt noch auf einem Markt eine Tutima mit der Signatur der '1. Moskauer Uhrenfabrik'  in kyrillischer Schrift auf dem Zifferblatt.

Die russischen Marinechronometer 'Kirowa' oder 'Poljot' sind Nachbauten bzw. Weiterentwicklungen des Lange-Chronometers. In Glashütte wurden die B-Uhren Cal. 48 als Taschenuhren weitergefertigt, z.T. mit Zentralsekunde und dem Fliegeruhren-Zifferblatt. Die Marinechronometer wurden weiterentwickelt zum Cal 100, welches bei der Nationalen Volks-Marine und im ganzen Ostblock eingesetzt wurde. Das Werk des Tutima Fliegerchronographen wurde verkleinert für zivile Ausführungen weitergebaut.

Schon die Kasernierte Volks Polizei (KVP) hat nach dem Krieg Glashütter Armbanduhren verwandt oder als Ehrengeschenk verteilt. Ich nannte schon die zwei Hanhart Fliegerchronographen aus Kriegsproduktion mit einer Signatur und Numerierung des 'Ministerium des Innern', dem die KVP unterstellt war. Diese Uhren wurden zunächst noch bei der KVP und dann bei der NVA im Gefechtssteuerstand genutzt. Auch eine GUB Handaufzugs-Armbanduhr Cal 60 mit einer schönen Signatur der KVP: 'Für gute Leistungen Chef der KVP'   habe ich gefunden.

Die Nationale Volks-Armee und -Marine wie auch die Luftstreitkräfte haben also im wesentlichen die VEB Glashütter Uhrenbetriebe als Lieferant genutzt. Das später entwickelte Automatikwerk Cal 75 wurde in Dienst- oder Auszeichnungsuhren im politisch-militärischen Bereich verwandt. Es kamen Uhren mit sehr einfachen mechanischen Werken der Uhrenbetriebe Ruhla in Thüringen hinzu. Dort wurden später nur noch Quarzuhren produziert, zuletzt auch Präzisions-Quarzuhren für die NVA als Taschen- und Taucheruhren.

VEB Glashütte hat Ende der 50er Jahre eine  schöne Flugzeug-Borduhr (Cal 71) entwickelt und in ca. 1500 Exemplaren hergestellt. Diese Uhr wurde in das projektierte Zivilflugzeug B 152 und nach dessen Absturz und der folgenden Einstellung der Entwicklung in die Iljuschin 14 und MIG 17 der NVA Luftstreitkräfte eingebaut. Ansonsten blieben in den Flugzeugen sowjetischer Herkunft die schwereren russischen Borduhren von Molnia. Die Kabinenuhr aus Ruhla war auch zunächst für das Zivilflugzeug B 152 bestimmt.

Auch bei der Artillerie und anderen Einheiten wurden zunächst Glashütter Stoppuhren und dann russische Chronographen und Stoppuhren von Slawa, Achat und Poljot verwandt. Bekannt und auch von den Russen nachgebaut waren die Schiffs-Wanduhren aus Glashütte: Zunächst im Metallguß-Gehäuse oder aus Bakelit, dann im hellen Kunststoff-Gehäuse.

Einen Teil meiner Informationen kann man im Militär-Historischen Museum von Dresden nachvollziehen. Dort steht auch eine Kampfschwimmer-Puppe mit der großen russischen Taucheruhr sowie Unterwasser-Kompaß und Tiefenmesser.

Uhren spielten nach meinen Erfahrungen im Bewußtsein der meisten Soldaten und Reservisten in keine besondere Rolle. Jeder hatte seine private Armbanduhr. Aber daß der Schnellbootkommandant, der Flugzeugführer, der Artillerieoffizier eine Spezialuhr braucht, ist oft nicht bewußt erlebt. Der Artillerieoffizier hatte einen Besteckkoffer mit Lineal, Rechenschieber und eben einer Stoppuhr.

Bundeswehr
Auch nach Gründung der Bundeswehr 1955 mit dem 'Amt Blank' waren noch viele Wehrmachtsuhren in westdeutschem Staatsbesitz. Viele der wirklich schönen Kriegsmarine-B-Uhren aus Silber existierten in Privathand, oft waren die Rückdeckel mit dem Reichsadler und Hakenkreuz weggeworfen. Also gab es viele B-Uhren ohne Rückdeckel, diese mußten nachgefertigt werden.

Die Marine-B-Uhren in Staatsbesitz, oft unausgepackt in Beständen hatten auch den nicht zu tolerierenden Reichsadler. Steffen Röhner beschreibt, daß viele solcher Uhren 'neutralisiert' wurden, indem der Reichsadler mit Silberlot ausgegossen wurde. Diese 'Entnazifizierung' von Kriegsmarine-Material wird auch von den französischen Streitkräften berichtet. Kurzum die Bundesmarine hat die vorhandenen Bestände genutzt und neue insbesondere von IWC angeschafft. Die neuen bekommen die Nato-Versorgungs-Nr., die immer mit einer 6645  beginnt. In der IWC Hauszeitung 'International Watch' ist ein schöner Artikel über die 'Eiserne Zeitreserve' auf U-Booten.

Marinechronometer hat die Bundesmarine auch, mir ist bisher allerdings noch kein signiertes Exemplar begegnet. Bei Übernahme amerikanischer Schiffe wurden wohl auch Hamilton (Mod. 21) Chronometer übernommen, selbst angeschafft hat die Bundesmarine Marine-Chronometer von Wempe. Verschiedene Typen von z.T. kardanisch in Holzgehäusen aufgehängten Schweizer Ankerchronometern (Breguet, Ulysse Nardin, Zenith ?) wurden und werden genutzt. Weiterhin werden Beobachtungsuhren mit und ohne Holzkasten von IWC (Cal 67 und 972) und Cortébèrt (Cal. 554eingesetzt.

Die folgende Geschichte ist sicher nur ein Verkaufs-Gag der Russenuhren-Verkäufer, daß neuerdings NATO Schiffe wieder mit mindestens einem mechanischen Chronometer nämlich von Poljot als 'eiserne Zeitreserve', wenn Funk und Elektronik nach einem Atomschlag ausfallen, ausgerüstet werden.

Wanduhren für Diensträume und Maschinenraum wurden weiter von Wempe und Junghans mit und ohne rote Funksektoren auf dem Zifferblatt geliefert im Design wie früher als rundes Stufengehäuse aber nicht in Messing wie bei der Kriegsmarine, sondern in verchromtem und lackiertem Stahlblech. Darüber hinaus sind elektromechanische Schiffsuhren-Anlagen mit Haupt- und Nebenuhren auf großen Einheiten und in den Häfen in Betrieb.

Es gab und gibt Entwicklungsaufträge für Spezialuhren an die Industrie wie z.B. die IWC Kampfschwimmeruhr aus Titan mit der bei 2000 m Wassertiefe garantierter Dichtheit. Diese Uhr wird weiterhin aus einem Abrufauftrag von VDO, der Mutter von IWC und Jaeger Le Coultre innerhalb des Mannesmann- Konzerns sowohl mit Quarzwerk (Cal. 2250) für Minentaucher als auch mit mechanischem Werk (Cal. 3755) für Kampfschwimmer an die Bundesmarine geliefert. Die zivile Variante der IWC Ocean 2000 unterscheidet sich im gewölbten Saphirglas, in der nicht schwarzen Lunette und in den Zeigern vom militärischen Original.

Früher (vor dem Einschlafen der Marke und späterer Übernahme durch Jean Claude Biver) wurden die Kampfschwimmeruhren  von Blancpain 'Fifty Fathoms' in verschiedenen Varianten (u.a. Milspec I und Milspec II) und dem Automatik Caliber 1700 von AS sowohl von einem deutschen Lieferanten als auch direkt aus der Schweiz von der Rayville SA in Villeret geliefert.

Von Heuer wurde sogar ein  Chronograph, der für die Astro-Navigation auf Sternzeit reguliert wurde (Cal. Heuer 1551 SGSZ) (Anf.-Nr. 6645-12-148-2298) geliefert. Von Rolex wurde die 'Explorer' als Navigationsuhr für Fernflüge (Anf.-Nr. 6645-12-154-4531) eingesetzt.

Es ist klar, daß die Bundesluftwaffe in den Flugzeugen und Hubschraubern amerikanischer Herkunft die üblichen Waltham, Elgin, Wakman und Longines Borduhren hatte und hat. In den europäischen Entwicklungen  wie Transall, Noratlas Tornado, Alfa Jet und den Hubschraubern etc. werden Uhren von  Sinn (Typ NaBo 16 und 17), Breguet und Dodane (Type 11) (Caliber Lemania oder Valjoux ) etc. eingebaut.

Interessant ist hier, daß die Bezeichnungen der Reichs-Luftwaffe wie BoUk 1 genutzt werden  und daß bei amerikanischen Flugzeuguhren verwendete Mil-Spec C-25885A an die  Anf.-Nr. FL 23885 erinnert (Zufall?).

Die Piloten wurden und werden weiterhin mit mechanischen Chronographen ausgerüstet: Junghans (J88), Hanhart (Cal 15), Leonidas (Cal Vx 723), Heuer und Sinn ( Cal. Heuer 1551 = Valjoux 22), Tutima (neu in Ganderkesee), Arctos Pforzheim und Orfina (alle 3 Cal Lemania 5100).

Der verstorbene Generalsekretär der Nato Manfred Wörner trug immer den Orfina (Porsche Design) Bundeswehr-Flieger-Chronographen aus seiner aktiven Zeit. Auf vielen Pressefotos habe ich das gesehen. Bei den Piloten insbesondere fällt das konsequente Festhalten an der Mechanik auf. Es wird das Versagen der Batterie oder s.o. der Atomschlag, der die Elektronik der Quarzuhr stören kann,  gefürchtet. Keine Regel ist jedoch ohne Ausnahme, so sind auch Quarz-Chronographen von Heuer angeschafft worden.

Das Bundesheer hat Stationsuhren für Funker, Schreibstuben etc. im Design der Wehrmachts-Stationsuhren von Beuerle (Diehl-Gruppe) weitergenutzt, später wurde das Holzgehäuse durch Plastik ersetzt. Viele Arten von Stoppuhren z.T. mit elektromagnetischer Auslösung  werden für Meßzwecke und bei der Artillerie genutzt. Alle Waffen- und Leit- Systeme wie Flakpanzer, Feuerleitstände, Funkwagen, Radargeräte, Boote, Pontons, aber auch Werkstätten und Meßeinrichtungen benötigen Uhren

Über noch sehr viel mehr Spezialuhren der Bundeswehr kann man sich bei der 'Wehr-Technischen Studiensammlung' des Bundeswehr-Beschaffungsamtes in Koblenz informieren. Dessen Museumsteil ist auch der Öffentlichkeit zugänglich.

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