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IWC Ocean 2000 BUND
ZEITZEUGE: Geheimnisträger Jürgen King
Geheimnisträger und Projektleiter der amagnetischen Taucheruhr: Die Versuche fanden in seinem idyllischen Garten statt.

Aus: IWC Watch International Heft 3/0225 von Matthias Wolf

Eine Taucheruhr herzustellen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wenn der Zeitmesser dann noch amagnetisch sein soll und der Auftraggeber 'Deutsche Bundeswehr' heisst, sieht sich auch ein erfahrener Uhrenkonstrukteur aus Schaffhausen vor einer Herausforderung.

Jürgen King erinnert sich. Das amagnetischeWerk war eine Weiterentwicklung der Ingenieur Im Frühling 1980 erhielt die IWC den Auftrag, eine Kampftaucheruhr für die Deutsche Bundesmarine zu entwickeln. Jürgen King, damals Technischer Leiter, bekam ein 30-seitiges Pflichtenheft in die Hand gedrückt, indem die Anforderungen an die neue Taucheruhr beschrieben waren. Ganggenauigkeit, Schlagfestigkeit, Temperaturverhalten, Dichte und Amagnetismus. Das letzte Kriterium stellte die IWC vor eine Herausforderung. Für Minentaucher kann eine Uhr lebensgefährlich sein. Warum? Der Zünder gewisser Minen reagiert auf schwächste Magnetfelder, wie sie etwa die Schrittmotoren eines Quarzwerks erzeugen. Die Neuentwicklung durfte deshalb kein Magnetfeld erzeugen oder verändern. 'Das war ein echtes Problem', erzählt Jürgen King. 'Keine Firma hatte je eine amagnetische Uhr gebaut. Wir haben ja schon fünfzig Jahre davor Uhren für militärische Zwecke produziert, aber bei diesem Auftrag mussten wir mit der Grundlagenforschung beginnen.'

Die erste Hürde war, ein Laboratorium für die nötigen Messungen zu finden: Es gibt kaum ein Gebäude, das frei von störenden Magnetfeldern ist. Ferromagnetische Metalle wie Eisen, Nickel und Kobalt erzeugen Magnetfelder, schon eine simple Stromleitung kann die Messergebnisse so stark verfälschen, dass sie komplett unbrauchbar sind. Auf die Frage, wo man die Messungen schliesslich durchgeführt habe, antwortet Jürgen King schmunzelnd: 'Bei mir zu Hause, im Garten. Zwar konnten wir erste Magnetfelder im Labor der Bundesmarine in Flensburg aufspüren. Doch später, als es richtig zur Sache ging, nahm ich die Messinstrumente leihweise mit nach Hause und führte die notwendigen Messungen tatsächlich in meinem eigenen Garten durch.'

Problem Nummer zwei war das Erdmagnetfeld: Eine Messung in Richtung Norden bringt andere Ergebnisse als eine in Richtung Süden. Bedenkt man weiter, dass dieses Erdmagnetfeld in unseren Breiten in einem Winkel von 59,5° in die Erdoberfläche eintritt, begreift man langsam, wie komplex der Auftrag war. Dabei war die Forderung so einfach: Alle Teile des Uhrwerks, die ein messbares magnetisches Feld erzeugen, müssen durch amagnetische Teile ersetzt werden.

Vier Jahre lang haben interne und externe Konstrukteure geforscht, gemessen und entwickelt, darunter das Institut Straumann und Professor Steinemann von der Universität Lausanne. Die Konstrukteure brauchten neue Materialien und neue Technologien, wie man sie in der Uhrenindustrie nie zuvor eingesetzt hatte.

Immer wenn eine Reihe neuer Prototypen gefertigt war, fuhr Jürgen King nach Greding, zur Erprobungsstelle 81 der Bundeswehr, wo Nur für die Marine: zu erkennen am flachen Glas und der Prägung auf dem Gehäuseboden. die Neulinge ausgiebig getestet wurden. An eine solche Testfahrt erinnert er sich besonders gut: 'Um die Reise an einem Tag machen zu können, musste ich um drei Uhr morgens losfahren. Im Labor legte der Prüfer erst einmal alle Uhren sorgfältig auf einem Tablett aus. Er nahm das Tablett mit, geriet ins Stolpern und die ganze Ladung landete auf dem massiven Steinboden, dass es nur so schepperte. Die Uhren sahen trotz des erheblichen Sturzes nicht ernsthaft beschädigt aus. Daher einigten wir uns darauf, die Tests trotzdem durchzuführen. Wenn sie alle Versuche bestehen, sehr gut. Wenn nicht, würden wir die Prüfungen mit einer neuen Reihe Uhren wiederholen. Und was soll ich sagen: Alle Modelle haben alle Tests vollkommen problemlos überstanden. Die Bundeswehr war äusserst zufrieden.'

1984 waren die Entwickler so weit: Sie hielten die erste amagnetische Uhr in Händen. Das Werk war die Weiterentwicklung einer Ingenieur, das Gehäuse gestaltete Ferdinand A. Porsche, der parallel dazu auch das Design der Ocean 2000 kreierte. Das Ergebnis, das auch Ocean heisst, wurde in drei Ausführungen produziert: als Kampfschwimmeruhr mit Quarzwerk (Ref. 3314 und 3315), als Taucheruhr Automatik (Ref. 3509 und 3529) und als komplett amagnetische Minentaucheruhr Automatik (Ref. 3519). Jedes dieser Modelle erhielt eine eigene Nato-Versorgungsnummer; damit konnten die drei Spezialentwicklungen von allen Nato-Partnern bezogen werden.

Die amagnetische Version war mit Abstand die aufwändigste von den dreien, aber auch die technologisch am weitesten entwickelte. Sie genügt dem Nato Standardisation Agreement 2897 für amagnetisches Verhalten. Es gibt selbst heute 20 Jahre später immer noch keine andere Uhr, welche die Richtlinien von damals erfüllt. In dieser 42,6 Gramm leichten Spezialanfertigung steckt ein ganz besonderes Werk. Kaliber 3755Amag hat 22 Steine und funktioniert wie jede andere IWC auch, nur dass die bewährten Einzelteile aus speziellen Materialien gefertigt werden mussten. Für die Unruhspirale hat man zum Beispiel eine superamagnetische Niob-Zirkon-Legierung verwendet. Genaueres ist leider nicht zu erfahren, da die IWC vertraglich zu Stillschweigen verpflichtet ist. King und alle, die an der Entwicklung beteiligt waren, haben ein Verschwiegenheitsprotokoll unterzeichnet und sind somit bei der Bundeswehr als Geheimnisträger klassifiziert.

Einige Informationsbrocken findet man noch in dem Buch:
'Militäruhren Military Timepieces' von Konrad Knirim
(Verlag Peter Pomp, Bottrop, zu bestellen per Fax 00492041747160).
Aber dann ist auch schon Schluss.

Hergestellt wurden mehrere tausend Stück, für jede einzelne Lieferung musste ein Beauftragter der Bundeswehr nach Schaffhausen kommen, um bei der speziellen Testprozedur anwesend zu sein. Mit dem erworbenen Savoir-faire hat die IWC die zivile Ingenieur 500000 A/m entwickelt, die sich auch von gewaltigen Elektromagneten nicht aus der Ruhe bringen lässt. 1989 widerstand sie im Kernspintomographen einem Magnetfeld von 3,7 Millionen Amperemetern sie ist damit Weltrekordhalterin in Sachen Amagnetismus bei Uhren. Die Ocean der Bundeswehr hingegen ist nach wie vor ein beliebtes Sammlerstück.

Für Jürgen King war es rückblickend sicher eine der aufregendsten Aufgaben seiner Laufbahn: 'Man wusste niemals, wie der nächste Schritt aussehen würde. Plötzlich stösst man auf Probleme, mit denen man wirklich nicht gerechnet hätte.' Und im Hinausgehen meint er noch: 'Es wäre unglaublich spannend, mit einem Fachmann darüber zu sprechen. Na ja, wenn man darüber sprechen dürfte.'

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