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Immer hoch hinaus - IWC und seine Fliegeruhren

Von Gisbert L. Brunner, Uhren, 'Zeitschrift für Sammler klassischer Zeitmesser 4/94'

Höhenflüge sind bei der International Watch Co., von Kennern kurz IWC genannt, seit der Firmengründung im Jahre 1868 ein Thema. Damals beabsichtigte der Amerikaner Florentine Ariosto Jones, am Rheinfall in Schaffhausen jährlich 10.000 Taschenuhren zu produzieren und natürlich an eine zahlungskräftige Kundschaft zu verkaufen. Weil die Trimmung nicht stimmte und Jones die Kurve überzog, kam er ins Trudeln und stürzte ab.

Auch sein Nachfolger, der Amerikaner E. Seeland, mußte ähnlich leidvolle Erfahrungen machen. Es gelang ihm nicht, das filigrane Konstrukt in der Luft zu halten. Bevor die IWC abermals hart am Boden aufsetzte, sprang Seeland mit dem Fallschirm ah. Mit einem schweizerischen Kapitän am Steuer startete die IWC danach aufs Neue. Beladen mit vielen kreativen Ideen und ausgestattet mit einem starken Motor. Mit Hilfe eines kräftigen Aufwinds hob die IWC nun zu einem Höhenflug an, den sie nur zum gelegentlichen Nachtanken kurzfristig unterbrach.

Seit 12 Jahren stammt der Kapitän aus Deutschland. Und weil sich Günter Blümlein trefflich aufs Fliegen in großen Höhen versteht, hat er die Tradition der Fliegeruhren bei IWC neu belebt. Immerhin ist die richtige Uhr eines der wichtigsten Instrumente des Piloten. Nur die exakte Koordination von Entfernung, Geschwindigkeit und Treibstoffverbrauch ermöglicht eine weiche Landung am angepeilten Zielort. Was heute Computer unauffällig im Hintergrund erledigen, war in früheren Jahren harte Arbeit für den verantwortungsbewussten Piloten. Mit Hilfe von Karte, Kompass, Rechenschieber und Uhr berechnete er seinen Flug.

An guten Uhren fehlte es den beiden Bruchpiloten bei IWC schon damals nicht. Ihre Erzeugnisse waren, was Zuverlässigkeit und Präzision anbetrifft, über jeden Zweifel erhaben. Allenfalls könnte man den Herren Jones und Seeland zu-gute halten, dass den Taschenuhren im Cockpit das gewünschte Quantum an Praktikabilität fehlte. Aber Alternativen fürs Handgelenk gab es damals noch nicht. Und Motorflugzeuge waren, das muss der Fairness halber auch einmal gesagt werden, zu jener Zeit noch Zukunftsmusik. Wie dem auch sei: Flugzeug-Borduhren wurde in den Anfangsjahren der Fliegerei eine ganze Menge abverlangt. Sie mussten mit starken Vibrationen und extremen Temperatur-Unterschieden fertig werden. Auch Magnetfelder beeinflussten das Uhrwerk in nicht unerheblichem Maße. All diese Faktoren stellten für die International Watch Co., oder besser gesagt ihre Uhrmacher, eine absolute Herausforderung dar. Die anspruchsvolle Tätigkeit des Fliegens verlangte ganz spezielle Uhren. Und solche wollten sie den Piloten ans Handgelenk geben. Das war in der Mitte der dreißiger Jahre.

Die erste IWC-Fliegerarmbanduhr
Die Geschichte der zivilen Personenbeförderung durch die Lüfte erlebte in den dreißiger Jahren mit dem Jungfernflug der legendären DC 3 ihren ersten Höhepunkt. Zu dieser Zeit konnte die militärische Luftfahrt bereits auf eine beredte Vergangenheit zurückblicken. Für die Piloten allen Fluggeräts stellte die Fortbewegung am Himmel eine äußerst strapaziöse Angelegenheit dar. Die Funknavigation steckte noch in den Kinderschuhen und von elektronischen Instrumenten wagte man noch nicht einmal zu träumen.

Robuste und präzise Uhren waren daher absolut unverzichtbare Begleiter. Etwa 1935 stellte IWC die erste spezifische Armbanduhr für Flieger vor. Dieser ausgesprochen seltene Zeitmesser verkörperte mit seinem schwarzen Zifferblatt mit großen Leuchtziffern und den markanten Leuchtzeigern bereits optisch ein gut ablesbares Navigationsinstrument. Eine Drehlunette mit Merkpfeil diente zum Einstellen der Abflugzeit. Das 12 linige Brückenwerk vom Kaliber 83 mit antimagnetischer Gangpartie wurde von den Uhrmachern bei Temperaturen von minus 40 bis plus 40 Grad Celsius einreguliert. Beim Edelstahlgehäuse mit unzerbrechlichem Glas verhinderten Bleidichtungen das Eindringen von Feuchtigkeit und Staub. Das Stammbuch der Schaffhausener Manufaktur gibt darüber Auskunft, dass eine frühe Lieferung der 'Spezialuhr für Flieger' 1936 an Novotny Freund nach Prag ging. Zwischen 1939 und 1941 lieferte IWC vermutlich mehrere hundert Exemplare dieser Armbanduhr an verschiedene Kunden. Wie viele davon heute noch existieren, dürfte eines der großen Uhrenrätsel sein. In Auktionen, bei Sammlerbörsen und Händlern gehören sie jedenfalls zu den ausgesprochen seltenen Trouvaillen mit entsprechend hohem Preis.

Die große Fliegeruhr 'Kaliber 52 SC'
Auf Anforderung der deutschen Luftwaffe entwickelte IWC zu Beginn des Zweiten Weltkrieges eine professionelle Fliegeruhr, die aufgrund ihrer markanten Ausmaße nicht zu übersehen ist. Die optischen und technischen Spezifika waren den Schaffhausener Uhrmachern von den einschlägigen Dienststellen und Oberkommandos exakt vorgegeben worden. So mußte jede einzelne Armbanduhr den von der Deutschen Seewarte aufgestellten Prüfbedingungen der 'ersten Klasse' für Präzisionstaschenuhren genügen. Die Feinstellung hatte in sechs Positionen sowie bei drei Temperaturen zu erfolgen. Charakteristika waren das mattierte Stahlgehäuse (Durchmesser 55 mm), die große griffige Aufzugskrone, das markante Zifferblatt, die besonders auffälligen Leuchtziffern und -zeiger, der Sekundenstopp zum exakten Einstellen der Uhrzeit sowie der lange Lederriemen zum Tragen der Uhr über der Fliegermontur. Dieses Modell besaß erstmals einen wirksamen Schutz gegen Magnetfelder. Die Techniker hatten das Werk mit einem Zifferblatt, Werkring und Innenboden aus besonders leitfähigem Weicheisen umgeben. Dieser Käfig hielt Magnetfelder vom Uhrwerk fern.

Die IWC stellete ihr Modell mit dem bewährten Taschenuhr Kaliber 52 SC (19 Linien, Durchmesser 43,15 mm, Höhe 6,5 mm) aus, wobei SC für Zentralsekunde steht. Von diesem Kaliber wurden bei IWC zwischen 1940 und 1945 insgesamt 1200 Exemplare gefertigt. Davon gelangte jedoch nur ein kleiner Teil in die besagten Flieger-Armbanduhren. Auch Beobachtungsuhren (Deck-Watches) und zivile IWC-Taschenuhren wurden damit ausgerüstet. Die militärischen Modelle besaßen gleiche Gehäuse- und Werksnummern. Aus Sicherheitsgründen wurden die Gehäusenummern ein zweites Mal bei zivilen Zeitmessern verwendet. Die Empfänger der Flieger- und Beobachtungsuhren tauchen in den IWC-Stammbüchern nur verschlüsselt auf. Sie lassen sich daher heute nicht mehr identifizieren. Dem hohen Sammlerwert speziell der großen Fliege-rArmbanduhr tut dies indessen keinen Abbruch.

Die militärische Armbanduhr 'Mark X'
Wie schon die erste Fliegeruhr von IWC war auch die 'Mark X' eine Armbanduhr für den militärischen Dienstgebrauch, mit dem Kaliber 83 ausgestattet. Etwa 6000 dieser Spezialuhren (Gehäusenummern 1.131001 bis 1.137000) wurden in der Zeit vom Ende der dreißiger Jahre bis 1947 in Schaffhausen gefertigt. Diese Uhren tragen im Gehäuseboden neben der individuellen Nummer den Buchstaben M, was für Militär steht. Das schwarze Zifferblatt mit großen Leuchtziffern ist mit einer Minuterie von Typ ,chemin de fer' (Eisenbahn) ausgestattet. Bei den für die britische Armee hergestellten Modellen findet sich am Zifferblatt unterhalb des Firmenlogos der so genannte 'Pfeil des Königs'. Ab 1943 war bei der Mark X übrigens die Stoßsicherung 'Incabloc' obligatorisch.

Die legendäre 'Mark XI'
Es gibt wohl nur eine Fliegerarmbanduhr, die für sich das Attribut 'Kult Uhr' in Anspruch nehmen kann: die 'Mark XI'. Sie erhob sich ab 1948 an den Handgelenken unzähliger Piloten in die Lüfte. Ihre kostbare Zeit vertrauten jedoch nicht nur Piloten der Luftstreitkräfte der 'Mark XI' an. Auch Kapitäne renommierter ziviler Airlines setzten voll auf diesen Zeitmesser.

Diese Wahl kam freilich nicht von ungefähr. IWC hatte alle bis dahin gewonnenen Erfahrungen mit Fliegeruhren in die Konstruktion von Werk und Gehäuse einfließen lassen. Hinzu kamen die neuesten Erkenntnisse auf den Gebieten der Uhrmacherei und der Metalltirgie. Das bereits in der großen Fliegeruhr angewandte Prinzip des Magnetfeld-Schutzes durch ein Innengehäuse aus Weicheisen wurde bei der 'Mark XI' konsequent fortgesetzt. Ein Leckerbissen für die Liebhaber feiner Uhrmacherei war das neu konstruierte11 ¾ -linige Kaliber 89 (Durchmesser 26,5 mm, Höhe 4,25 mm) mit einem patentierten Antrieb für die Zentralsekunde und Sekundenstopp. Vor der Auslieferung hatte jede 'Mark XI' ein 44-tägiges Testprogramm für 'Navigator Wrist Watches' zu durchlaufen. Dabei wurde sie in fünf Positionen und bei Temperaturen zwischen minus fünf und plus 46 Grad Celsius auf ihre Ganggenauigkeit hin überprüft. Die für die Royal Air Force bestimmten Exemplare trugen auf dem Zifferblatt den 'Arrow'. Die militärische Bodengravur mit Einheitsbezeichnung und Baujahr wurde entweder direkt bei IWC oder von den jeweiligen militärischen Beschaffungsämtern angebracht. Manche Modelle fallen auf durch die Bezeichnung 'W.W.W.'. Diese drei W bedeuten 'Waterproof Wrist Watch' und signalisieren, dass das Glas armiert, also mit einem Metallreif verstärkt war. 1984 versandte IWC die letzten Exemplare der 'Mark XI' an die Konzessionäre. Etwa zur gleichen Zeit begann die Royal Air Force mit der Ausmusterung der 'Mark XI'. Im Rahmen von stillen Auktionen konnten Sammler und Liebhaber diese Armbanduhren zum Stückpreis von etwa DM 150,- erwerben. Seit damals hat die 'Mark XI' einen beinahe kometenhaften Aufstieg erlebt. Sie ist nicht nur zur 'Kult Uhr' und zum Synonym für Fliegeruhren avanciert. Auch ihr Preis erlebte einen Höhenflug ohnegleichen. Unter etwa 2500,- DM geht heute für eine gut erhaltene 'Mark XI' fast nichts mehr. Viel trauriger ist freilich die Tatsache zu werten dass auf dem Markt kaum noch 'Mark XI' erhältlich sind. Wer trennt sich schon von so einem Schatz.

Die 'Mark XII' für »zukurz-Gekommene« und Sonstige IWC-Fans
Dass an eine waschechte 'Mark XI' nur unter großen Mühen heranzukommen ist, hat sich in Kennerkreisen längst herumgesprochen. Wenn im Antikuhrenhandel oder bei Auktionen nichts ging, versuchten frustrierte 'Mark XI'-Liebhaber bei IWC direkt ihr Glück. Doch mehr als negative Antworten 'mit dem Ausdruck des Bedauerns' war auch von dort nicht zu erwarten. Die Lager waren absolut leer-geräumt. Deshalb hat sich IWC entschlossen, die 'Mark XI' in einer aktualisierten Version wiederaufleben zu lassen. Um dem Klassiker nicht ins Gehege zu kommen, wurde das neue Modell ganz einfach 'Mark XII' genannt. Optisch fällt der Unterschied zwischen der Vorläuferin und dem aktuellen Produkt erst auf den zweiten Blick ins Auge. Das Gehäuse- und Zifferblattdesign entspricht exakt der 'Mark Xl'. Nur die Datumsanzeige bei der '3' und der Schriftzug 'Automatic' weisen unmißverständlich auf die Neuerungen beider 'Mark XII' hin. Das flache 34steinige Automatik-Kaliber 884 (Durchmesser 26 mm, Höhe 3,25 mm) verspricht mit seiner Unruhfrequenz von 28800 Halbschwingungen und seiner Reglage in fünf Lagen gute Gangresultate. Der Zentralrotor spannt die Zugfeder in beiden Drehrichtungen und sorgt so für eine Gangreserve von etwa 45 Stunden. Selbstverständlich verfügt das moderne Kaliber über einen Sekundenstopp und eine Datums-Schnellschaltung über die Krone. Wie schon die 'Mark XI' besitzt auch die Nachfolgerin ein Weicheisen-Innengehäuse zum Schutz des Werkes vor den negativen Auswirkungen starker Magnetfelder. Damit auch Feuchtigkeit und Staub 'außen vor' bleiben, ist das Gehäuse mit verschraubter Krone wasserdicht bis 50 Meter. Und das kratzfeste Saphirglas ist gegen Unterdruck gesichert.

Für konventionelle und auf vornehmes Understatement bedachte Fliegeuhren-Freaks hält IWC die 'Mark XII' mit satiniertem Stahlgehäuse bereit. Diejenigen, welche auf edles Metall Wert legen, können sich die 'Mark XII' mit satiniertem Goldgehäuse ans Handgelenk legen. Die Blicke neugieriger Zeitgenossen werden alle auf sich lenken, denn die 'Mark XII' besitzt trotz ihres reduzierten Designs einen hohen Aufmerksamkeitswert. Den potentiellen Kunden kommt es jedoch primär auf etwas ganz anderes an: Sie wollen eine Armbanduhr, die mit ihnen durch dick und dünn geht. Das war bei der 'Mark XI' schon so, und bei der 'Mark XII' wird es nicht anders sein.

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